Corona & Datenschutz
Aufgrund der gegenwärtigen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie ergeben sich bei bei Verantwortlichen Fragen, inwieweit bestimmte Datenverarbeitungen zulässig sind bzw. rechtssicher verarbeitet werden dürfen.
Für eine Reihe von Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie oder zum Schutz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern können datenschutzkonform Daten erhoben und verwendet werden. So können beispielsweise personenbezogene Daten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erhoben werden, um eine Ausbreitung des Virus in der Mitarbeiterschaft bestmöglich zu verhindern. Auch die Erhebung von personenbezogenen Daten von Gästen und Besuchern ist möglich.
Mit Blick auf die verschiedenen Fragestellung zum Datenschutz und der Informationsfreiheit, die sich im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie stellen, sind nachfolgend zu einzelnen Punkten die relevanten Aspekte dargestellt. Es wird auch auf die verschiedenen Fragen zum Datenschutz mit Blick auf die Corona-Schutzimpfungen eingegangen.
Nachfolgend die hier behandelten Themengebiete im Zusammenhang der Corona-Pandemie:
FAQs zu verschiedenen Datenschutz-Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie stellen
Antworten auf verschiedene Szenarien zu dieser Fragestellung finden sich hier.
Hinweise zum Datenschutz im Homeoffice gibt es hier.
Hinweise zu datenschutzkonformen Instrumenten, die sowohl schulisches Miteinander als auch Lerninhalte transportieren können, finden sich hier.
Hierzu hat sich der LfDI in seiner Pressemitteilung vom 16. Juni 2020 geäußert.
Zunächst ist zu unterscheiden zwischen der Veröffentlichung bzw. einer Offenlegung von entsprechenden Daten und der Übermittlung solcher Daten zu einem bestimmten Zweck an eine (andere) öffentliche Stelle.
Zur Übermittlung kann verwiesen werden auf die Erläuterungen im
Sonder-Newsletter „Corona-Pandemie“ vom 02.04.2020 unter der Überschrift „Datenübermittlungen vom Gesundheitsamt an öffentliche Stellen“
sowie in den
FAQ unter "Dürfen die Gesundheitsämter Daten über Corona-Infizierte an die Polizei übermitteln?" Ziffer 2. „Datenweitergabe an Polizei- und Ordnungsbehörden zum Schutz von Einsatzkräften“.
Die Veröffentlichung bzw. eine Offenlegung personenbezogener Daten zu Infektionsfällen insbesondere im Internet ist zur Erledigung von Aufgaben des Gesundheitsamtes nach dem Infektionsschutzgesetz nicht erforderlich.
Für eine Veröffentlichung anonymer Daten zu Infektionsfällen ist Folgendes zu berücksichtigen. Anonyme Daten unterliegen nicht dem Datenschutzrecht, eine Verarbeitungserlaubnis gemäß Art. 6 Abs. 1 Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) wird dazu nicht benötigt.
Zu beachten ist aber, dass Individuen nicht nur direkt mit bestimmten bzw. personenbezogenen Daten identifiziert werden können. Für eine direkte Identifizierung sind eindeutige Merkmale wie etwa Name, Adresse oder Sozialversicherungsnummer nötig.
Ein Rückschluss auf natürliche Personen ist jedoch auch indirekt mit bestimmbaren bzw. personenbeziehbaren Daten und/oder erworbenem Zusatzwissen möglich. Bei einer indirekten Identifizierung wird auf Basis mehrerer Merkmale, die für sich genommen keine eindeutige Zuordnung zulassen, auf das Individuum geschlossen. Z. B. kann eine genaue Berufsbezeichnung in Zusammenhang mit einer genauen Ortsangabe zu einer Identifikation einer spezifischen Person führen (personenbeziehbare Daten). Ähnlich kann sich aus einer konkreten Angabe wie z.B. „Alter 95 Jahre“ z.B. bei kleinräumigen Zuordnungen wie Ortsgemeinden oder Ortsteilen mit geringer Einwohnerzahl eine personenbeziehbarkeit ergeben.
Eine Veröffentlichung von Infektionszahlen auf kommunaler Ebene sollte daher nur mit Altersklassen anstelle konkreter Angaben zum Lebensalter („70 – 80 Jahre“ statt „76 Jahre“ und auf Stadt-/Verbandsgemeindeebene als tiefster regionaler Gliederungsstufe erfolgen.
Vor einer Veröffentlichung von Daten im Internet ist bei der Bewertung, ob es sich um anonyme oder gegebenenfalls noch personenbeziehbare Daten handelt, auch zu berücksichtigen, dass die Veröffentlichung im Internet weltweit einen ungleich größeren Personenkreis als beispielsweise jede auflagenbegrenzte schriftliche Veröffentlichung erreicht. Darüber hinaus können im Internet veröffentlichte Daten grundsätzlich auf einfache Weise beliebig verknüpft werden. Gerade die Speicherung von Daten und deren Verknüpfung mit anderen Datenbeständen sind im privaten Bereich, also bei der Verarbeitung durch Private und gerade auch große Technologieunternehmen, nicht beherrschbar. Sind die Veröffentlichungen überdies suchmaschinenfähig, werden betroffene Personen gegebenenfalls zu einem allgemein verfügbaren Rechercheobjekt.
Maßstab für die Bewertung, ob schon anonyme oder noch personenbeziehbare Daten vorliegen, sollte daher das Statistikrecht mit der dort üblichen Zusammenfassung in Kategorien sein.
Bevor ein Ladengeschäft betreten werden darf, wäre es möglich, dass dort zunächst die Körpertemperatur des potentiellen Kunden gemessen wird, z.B. mittels einer Wärmebildkamera. Beim Überschreiten einer gewissen Temperatur könnte dem Kunden der Zutritt verwehrt werden bzw. er könnte zu weiteren Erklärungen über seinen Gesundheitszustand aufgefordert werden. Solche Maßnahmen sollen verhindern, dass Personen, die ein mögliches Covid-19-Symptom aufweisen, nämlich eine erhöhte Körpertemperatur, das Ladengeschäft betreten.
Bei der Feststellung der Körpertemperatur von Personen handelt es sich um die Erhebung von personenbezogenen Daten, und zwar von Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DS-GVO. Bei der Auswertung dieser Daten mit dem Ziel, bestimmten Personen den Zugang zu verweigern, werden diese Gesundheitsdaten weiterverarbeitet.
Die Verarbeitung solcher Gesundheitsdaten ist gem. Art. 9 Abs. 1 DS-GVO untersagt, außer in den in Art. 9 Abs. 2 DS-GVO genannten Ausnahmefällen.
Eine solche Ausnahme liegt vor, wenn die betroffenen Personen in die Verarbeitung dieser Daten zu genau bestimmten Zwecken ausdrücklich eingewilligt hätten. Eine konkludente Einwilligung durch Betreten des Geländes nach Kenntnisnahme der Hinweise ist aber nicht ausreichend im Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. a DS-GVO, der von einer ausdrücklichen Einwilligung spricht. Die weiteren Anforderungen an eine wirksame Einwilligung ergeben sich aus Art. 7 DS-GVO. Insbesondere muss die Einwilligung freiwillig abgegeben werden. An dieser Freiwilligkeit fehlt es hier in der Regel, da die betroffenen Personen – je nach Einsatzszenario – teilweise erhebliche Nachteile erleiden würden, wenn sie nicht in die Maßnahme einwilligen bzw. ihnen keine Alternativen zur Verfügung stehen (Art. 7 Abs. 4 DS-GVO).
Auch liegen die Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 lit. i DS-GVO i.V.m. § 22 Abs. 1 Nr. 1 lit. c BDSG, dem Infektionsschutzgesetz bzw. den Landesverordnungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie nicht vor. Denn die Maßnahme ist weder tauglich, um vor einem weiteren Infektionsrisiko zu schützen, weil die Körpertemperatur nicht sicher eine Infektion mit Corona-Virus indiziert, noch sind spezifische Vorkehrungen zum Schutz der betroffenen Personen ersichtlich.
Eine Rechtsgrundlage für die Erhebung der Körpertemperatur und deren weitere Verarbeitung liegt nicht vor und ist daher in den dargestellten Szenarien datenschutzrechtlich nicht zulässig.
Ab 18. März 2022 gilt die Zweiunddreißigste Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz vom 17. März 2022 (32. CoBeLVO). Danach entfällt neben Abstandsgebot, Kapazitäts- und Kontaktbeschränkungen auch die Verpflichtung, Kontaktdaten von Besucherinnen und Besuchern zu erheben, die bis zuletzt noch in bestimmten Einrichtungen des Gesundheitsbereichs bestand.
Dies bedeutet, dass sich aus der Corona-Bekämpfungsverordnung (in Verbindung mit dem Infektionsschutzgesetz) keine Rechtsgrundlage und damit auch keine Verpflichtung mehr dafür ergibt, die Kontaktdaten von Gästen, Kundinnen und Kunden oder Besucherinnen und Besuchern zu erheben und vorzuhalten.
Die Corona-Warn-App ist aus "Datenschutz-Sicht okay". Ausführliche Pressemitteilung des LfDI zu diesem Thema.
Der LfDI warnt davor, dass die freiwillige Corona Warn App nicht zur „Eintrittskarte“ in Geschäfte, zu Veranstaltungen oder zum Arbeitsplatz werden darf. Ausführliche Pressemitteilung des LfDI zu diesem Thema.
- Der Gastronom oder Veranstalter bleibt Verantwortlicher für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten seiner Gäste im Sinne der DS-GVO.
- Der Anbieter von Gästeregistrierungs-Apps oder Anwendungen verarbeitet die Daten der Gäste für den Gastronom oder Veranstalter in der Regel im Auftrag.
- Zwischen dem Gastronom oder Veranstalter und dem Anbieter der App oder Anwendung ist daher ein Auftragsverarbeitungsvertrag zu schließen. Dieser muss den Vorgaben des Art. 28 Abs. 3 DS-GVO entsprechen.
- Der Gastronom oder Veranstalter bleibt für die Löschung der Daten nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist verantwortlich. Er kann jedoch den Anbieter der App oder Anwendung mit der Löschung beauftragen. Dem Gastronom oder Veranstalter obliegt es zu überprüfen, ob der Anbieter der App oder Anwendung die Daten nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist tatsächlich löscht. Der Gastronom oder Veranstalter sollte daher das Konzept und den Vertrag mit dem Anbieter der App oder Anwendung genau prüfen und sich über das Löschprocedere informieren.
- Der Gastronom oder Veranstalter unterliegt bei der Datenerhebung mittels einer App oder einer Browseranwendung den Informationspflichten nach Art. 13 DS-GVO. Diese Informationen hat der Gastronom oder Veranstalter vor der Registrierung zur Verfügung zu stellen. Diese Information kann in der App oder der Anwendung erfolgen, bevor personenbezogene Daten der Gäste erhoben werden oder im Restaurant oder Veranstaltungsgebäude. Die verantwortliche Stelle für diese Information ist der Gastronom oder Veranstalter und auch als solcher in den Informationen zu nennen. Die Information kann auch im Restaurant oder Veranstaltungsgebäude durch Aushang oder Auslage auf den Tischen erfolgen. Dabei kann in diesem Dokument für weitere Informationen auf einen Link oder einen QR-Code verwiesen werden, unter dem die vollständigen Informationen zu finden sind.
- Die personenbezogenen Daten der Gäste, die im Rahmen der Kontaktnachverfolgung erhoben werden, dürfen nicht zu Werbezwecken verwendet werden. Dies umfasst auch Lockangebote wie Gutscheine bei Nutzung der App oder Browseranwendung beim Restaurantbesuch oder beim Auschecken/Verlassen des Restaurants oder der Veranstaltung.
- Der Gastronom oder Veranstalter hat sicherzustellen, dass er einen Anbieter wählt, der die Daten sicher vor Zugriffen Unberechtigter aufbewahrt und eine verschlüsselte Übermittlung der Daten gewährleistet. Hilfestellungen bei der Entscheidung für den richtigen Anbieter können sein, ob der Anbieter sich an die Vorgaben und Empfehlungen der Orientierungshilfe der Datenschutzkonferenz zu Datenschutzanforderungen an App-Entwickler und App-Anbieter hält.
- Der Gastronom oder Veranstalter kann Gäste nicht dazu verpflichten, über ihre eigenen Endgeräte eine App oder Browseranwendung zu nutzen. Die Registrierung über eine solche App oder Browseranwendung muss immer freiwillig sein und darf nicht zur Voraussetzung für den Besuch des Restaurants oder der Veranstaltung gemacht werden. Daher muss eine Alternative zur Datenerfassung über Geräte des Gastronomen oder Veranstalters oder in Papierform gegeben sein.
- Nach der rheinland-pfälzischen Corona-Bekämpfungsverordnung sind Betreiber von bestimmten Einrichtungen verpflichtet, zur Kontaktnachverfolgung die Daten der Gäste zu erheben. Bei den Angeboten mancher App-Anbieter zur Gästeregistrierung hat der Gastronom oder Veranstalter jedoch keine direkten Zugriffsmöglichkeiten auf die erhobenen Daten. Stattdessen soll diese das Gesundheitsamt an den jeweiligen Anbieter verweisen, wenn eine Kontaktnachverfolgung notwendig ist. Ob der Gastronom oder Veranstalter bei diesem Vorgehen seinen Verpflichtungen nach der Corona-Bekämpfungsverordnung nachkommt, ist keine datenschutzrechtliche Frage, sondern mit den zuständigen Gesundheitsämtern zu klären.
- Für die Nutzung einiger Apps oder Browseranwendungen ist eine vorherige Registrierung der Gäste erforderlich. In diesem Fall schließt der Gast mit dem Betreiber der App oder Anwendung direkt einen Nutzungsvertrag. Dieser Nutzungsvertrag kann weitere Funktionen/Dienste (Platzreservierung, Essensbestellung, Terminvereinbarung etc.) neben der Kontaktnachverfolgung beinhalten. Der Einsatz eines solchen Dienstes in seinem Restaurant oder bei seiner Veranstaltung entbindet den Gastronom oder Veranstalter nicht von seiner Pflicht zur Kontaktnachverfolgung, sodass zwingend eine Alternative für Gäste anzubieten ist, die einen solchen Vertrag mit dem Anbieter der App oder Anwendung nicht schließen wollen. Die Verarbeitung zur Nutzung der weitergehenden Funktionen/Dienste (Platzreservierung, Essensbestellung, Terminvereinbarung etc.) erfolgt auf Grundlage anderer rechtlicher Grundlagen als die Datenverarbeitung zur Kontaktnachverfolgung.
FAQs zu Ansprüchen auf Informationszugang im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie
Bürgerinnen und Bürger können auf Informationszugang gerichtete Anträge mit inhaltlichem Bezug zur Corona-Pandemie stellen. Ob und wenn ja in welchem Umfang der Informationszugang durch die angefragte Stelle im Falle eines solchen Antrags zu eröffnen ist, hängt maßgeblich von der Fragestellung ab.
Denkbar sind Anfragen an Ordnungsbehörden zu Verstößen gegen die Corona-Bekämpfungsverordnung (CoBeLVO). Beispielsweise könnten die Ordnungsbehörden zu einzelnen auf Grund von Verstößen gegen § 12 CoBeLVO i.V.m. dem 15. Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes eingeleiteten Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren angefragt werden. Eine solche Anfrage an eine Ordnungsbehörde könnte bspw. lauten: „Gegen welche Restaurants hat Ihre Behörde ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet, weil diese über den in § 1 Abs. 1 Nr. 2 CoBeLVO erlaubten Umfang hinaus geöffnet hatten?“ oder „Gegen welche Personen hat Ihre Behörde aufgrund der Annahme von unerlaubten Ansammlungen nach § 4 CoBeLVO ein Bußgeld nach § 12 CoBeLVO i.V.m. § 73 Abs. 2 Infektionsschutzgesetz verhängt?“.
Bei solchen Anfragen ist zunächst zu prüfen, ob die Regelungen zur Auskunft nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) dem Landestransparenzgesetz nach § 2 Abs. 3 LTranspG als besondere Rechtsvorschriften vorgehen. Dies ist grundsätzlich der Fall, außer das Auskunftsbegehren bezieht sich allein auf verfahrensübergreifende Merkmale und ist nicht auf personenbezogene Daten Dritter gerichtet. Dies wäre bspw. der Fall, wenn lediglich nach der Anzahl von OWiG-Verfahren oder Verstößen gefragt wird. Im Anwendungsbereich des LTranspG ist zudem die teilweise Bereichsausnahme für Strafverfolgungs- und Strafvollstreckungsbehörden in § 3 Abs. 4 LTranspG und bei laufenden OWiG- oder Strafverfahren sind die in § 14 Abs. 1 Nr. 2 LTranspG geregelten entgegenstehenden Belange zu beachten.
Ist das OWiG vorrangig anzuwenden, regelt § 475 StPO den Umfang des Auskunftsrechts von Dritten (Privatpersonen und sonstigen Stellen, nicht des Betroffenen selbst). Die Vorschrift gilt gemäß § 46 Abs. 1, § 49b OWiG für das Bußgeldverfahren sinngemäß. Nach § 475 Abs. 1 StPO können Privatpersonen und sonstige Stellen Auskünfte aus Akten erhalten, soweit sie hierfür ein berechtigtes Interesse darlegen.
Als berechtigtes Interesse gelten alle nachvollziehbar durch die Sachlage gerechtfertigten Interessen tatsächlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, sofern die Rechtsordnung ihnen nicht in Form eines Verbotes die Anerkennung versagt. Es muss also nicht der Grad des rechtlichen Interesses erreicht sein. Ein Beispiel ist die Verfolgung oder Abwehr rechtlicher Ansprüche, die Norm ist aber nicht hierauf beschränkt.
Denkbar wäre bspw., dass gegen den Anfragenden selbst ein OWiG-Verfahren aufgrund eines Verstoßes gegen die CoBeLVO i.V.m. dem Infektionsschutzgesetz geführt wird und er sich auf ein ähnliches Verfahren im Rahmen seiner Verteidigung berufen will, wozu er dessen Akteninhalt benötigt. Ein Zeuge hat ohne besondere Umstände kein berechtigtes Interesse i.S.d. Norm, insbesondere nicht daran, die Aussagen anderer Zeugen zu kennen. Die Darlegung erfordert einen schlüssigen Tatsachenvortrag, der Grund und Intensität des Auskunftsinteresses erkennen lässt, und damit weniger als die Glaubhaftmachung. Formelhafte Behauptungen sind hierfür nicht ausreichend, vielmehr ist im Einzelnen darzulegen, warum und wofür die Auskunft verlangt wird. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller den Akteninhalt noch nicht kennt und seinen Nutzen daher nur prognostisch bewerten kann.
Auskünfte sind zu versagen, wenn der hiervon Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat. Die Entscheidung ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen. Ist die Auskunft nach § 475 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1, § 49b OWiG zu versagen, kann diese dann auch nicht über das LTranspG beansprucht werden, da § 475 Abs. 1 StPO insoweit vorrangig und abschließend ist.
Die Kommunen oder das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie (MSAGD) können zu Allgemeinverfügungen zur Bekämpfung des Coronavirus nach § 11 CoBeLVO angefragt werden (bspw. „Wurde in meiner Kommune eine Allgemeinverfügung erlassen? Mit welchem Inhalt?“). Solche Allgemeinverfügungen können die Kommunen im Einvernehmen mit dem MSAGD erlassen. Entgegenstehende Belange sind bei einem solchen Antrag nach Inkrafttreten der jeweiligen Allgemeinverfügung (Abschluss des Willensbildungsprozesses) nicht erkennbar, so dass der Informationszugang zu eröffnen ist.
Denkbar sind auch Anfragen zu Infektionen. Das Infektionsschutzgesetz enthält in § 16 datenschutzrechtliche Vorgaben, jedoch kein Auskunftsrecht bzw. kein Recht auf Informationszugang. Daher sind Anfragen an Landesbehörden zu Infektionen und dem Infektionsschutz nach den Vorgaben des Landestransparenzgesetzes zu prüfen.
Als entgegenstehende Belange kommen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nach § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 LTranspG in Betracht, bspw. bei der Anfrage „Wie viele Beschäftigte des Unternehmens X sind infiziert?“. Eine solche Information könnte als Geschäftsgeheimnis nach § 5 Abs. 6 LTranspG zu qualifizieren sein: Die Information ist betriebsbezogen, nicht offenkundig und das Unternehmen hat einen Geheimhaltungswillen sowie je nach Einzelfall ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse. Das berechtigte Geheimhaltungsinteresse kann vorliegen, wenn bspw. im Fall des „Lahmliegens“ eines Unternehmens aufgrund von Quarantäne oder ähnlichen Maßnahmen ein Konkurrent diese Information für sein eigenes Marktverhalten ausnutzen kann.
Je nach Anfrage könnten durch den Informationszugang personenbezogene Daten Dritter offenbart werden (§ 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 LTranspG). Ob dies der Fall ist, hängt davon ab, ob die jeweilige Anfrage allgemein gehalten ist („Welcher Ortsteil ist am stärksten betroffen?“) oder auf eine oder mehrere identifizierbare Person/en gerichtet ist („Ist mein Nachbar infiziert?“), wobei der Übergang fließend ist (bspw. bei der Frage „Wie viele Personen in meiner Straße sind infiziert?“).
Da eine Einwilligung meist nicht vorliegen dürfte, laufen Anfragen bei entgegenstehenden Belangen nach § 16 Abs. 1 LTranspG auf ein Drittbeteiligungsverfahren (§ 16 Abs. 2 i.V.m. § 13 LTranspG) und infolgedessen auf eine Abwägungsentscheidung durch die informationspflichtige Stelle hinaus. Eine Ausnahme wäre im Fall von Personenbezug die Unkenntlichmachung, wenn diese möglich und vom Antragsteller gewünscht ist (§ 16 Abs. 1 S. 2 LTranspG, VV LTranspG Nr. 16.1.7).
Zumindest in Bezug auf die Anfragen zu bestimmten Personen, dürfte im Rahmen der Abwägung das öffentliche Informationsinteresse i.S.d. LTranspG in der Regel hinter den Interessen der infizierten Person zurücktreten, zumal es sich um besonders geschützte Gesundheitsdaten handelt (vgl. Art. 9 Abs. 1 DSGVO) und der Zugang zu diesen Informationen die Gefahr birgt, die betroffene Person erheblich zu stigmatisieren. Im Rahmen der Abwägung überwiegt das Interesse der Öffentlichkeit an den Informationen zu konkret infizierten Personen das Interesse des Einzelnen daher wohl regelmäßig nicht.
Fragen im Hinblick auf statistische Auswertungen und Erhebungen oder Gutachten bzgl. der Infektionen könnten etwa lauten:
- „Welcher Ortsteil ist am stärksten betroffen?“
- „Wie viele Personen befinden sich im Land/der Gemeinde aktuell in Quarantäne?“
- „Welche Altersstruktur weisen die Infizierten auf?“
- „Ist der Infektionsort/die Infektionsart bekannt, wenn ja, wo/welche Schwerpunkte sind auszumachen?“
Denkbar sind ebenso Fragen zu Gutachten, Prognosen und Analysen wie etwa:
- „Gibt es Gutachten bzgl. der Verbreitung/Risikoabschätzung bzw. ist eine Einsicht in diese Gutachten möglich?“, oder der Zugang zu entsprechenden Datenbanken wird angefordert.
Ein solcher Anspruch setzt grundsätzlich voraus, dass die transparenzpflichtige Stelle auch tatsächlich konkret über die angeforderten Erhebungen, Auswertungen, Gutachten etc. verfügt. Liegen solche nicht vor, umfasst der Anspruch keine Pflicht zur Informationsbeschaffung (vgl. VV-LTranspG, Nr. 4.2). Daraus folgt, dass nur die tatsächlich verfügbaren Informationen zugänglich zu machen sind. Liegen also beispielsweise Rohdaten vor, so können diese zwar vom Zugangsanspruch umfasst sein, ein Anspruch auf Auswertung oder Einordnung oder Begutachtung durch die transparenzpflichtige Stelle besteht jedoch zumindest im Rahmen des LTranspG nicht.
Als entgegenstehende Belange kommen insbesondere folgende in Betracht:
Personenbezogene Daten
Unter Umständen sind personenbezogene Daten betroffen (§ 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 LTranspG), sofern die Erhebungen etc. solche Daten enthalten oder Rückschlüsse erlauben.
Statistikgeheimnis
Hinsichtlich des Zugangs zu Statistiken ist im Rahmen der entgegenstehenden Belange das Statistikgeheimnis (§ 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 LTranspG) zu beachten. Danach hat ein Informationszugang zu unterbleiben, soweit die Informationen dem Statistikgeheimnis unterliegen. Demnach sind Einzelangaben über sachliche und persönliche Verhältnisse, die für eine Statistik gemacht werden, geheim zu halten (vgl. § 1 Abs. 2 S. 1 LStatG i.V.m. § 16 Abs. 1 S. 1 BStatG).
Rechte am geistigen Eigentum
Beim Zugang zu Gutachten, Analysen und auch Datenbanken kommen im Hinblick auf die entgegenstehenden Belange insbesondere Rechte am geistigen Eigentum (Urheberrecht) in Betracht (§ 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 LTranspG). So können umfangreiche Gutachten ggf. die nötige Schöpfungshöhe im Rahmen des Werkbegriffs als Werk der Wissenschaft (vgl. § 1 Var. 2, § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 7 UrhG) erreichen und damit schutzfähig sein. Insbesondere sollte im weiteren Verfahren darauf geachtet werden, dass/ob sich die Behörde entsprechende Nutzungsrechte hat einräumen lassen, welche diesen entgegenstehenden Belang ausräumen könnten.
Entsprechendes gilt auch für Datenbanken bzw. Sammelwerke (vgl. § 4 UrhG) oder etwa Details zu Risikoanalysen, welche ggf. mittels bestimmter Computerprogramme/Algorithmen erstellt werden. Auch hier kann der Zugang zum Programmcode/Algorithmus unter den Schutz des UrhG fallen (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Var. 4 UrhG).
Geschäftsgeheimnisse
Sofern die erforderliche Schöpfungshöhe für einen urheberrechtlichen Schutz nicht erreicht sein sollte, liegen in der genauen Funktionsweise etwa eines Algorithmus oder in Details bzgl. eines Verfahrens zur Erstellung einer Analyse möglicherweise Geschäftsgeheimnisse.
Drittbeteiligungsverfahren, Abwägung, teilweiser Zugang:
Bezüglich der o.g. möglichen entgegenstehenden Belange wird im Hinblick auf das Drittbeteiligungsverfahren, dem Abwägungserfordernis und der möglichen Unkenntlichmachung entsprechender Daten auf die Ausführungen zu „In welchem Umfang können Informationen zu Infektionen angefragt werden?“ (siehe oben) verwiesen.
Noch nicht aufbereitete Daten
Der Zugang zu Rohdaten bzgl. der Corona-Sachlage kann u.a. abzulehnen sein, soweit es sich um Material handelt, das gerade vervollständigt wird oder welches sich auf noch nicht aufbereitete Daten bezieht (§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 11 Var. 1, Var. 3 LTranspG). Der Zugang ist jedoch nur dann zu verwehren, wenn die Aufbereitung objektiv erforderlich, beabsichtigt und möglich ist. Nicht aufbereitet im Sinne der Norm sind jedoch nur solche Daten, die inhaltlich unvollständig sind (vgl. VV-LTranspG, Nr. 14.1.2.11). Damit kann der Anspruch nicht schon mit dem bloßen Hinweis darauf abgelehnt werden, es handele sich um unbearbeitete Rohdaten. Bei der Zählung von Fällen sind Informationen zugänglich zu machen, wenn und soweit sie abgrenzbar sind, etwa durch Stichtagsangaben. Da sich der Anspruch nicht allein auf interpretierte oder ausgewertete Daten bezieht, kann auch ein Anspruch auf Zugang zu bloßen Rohdaten bestehen. Hinsichtlich des Verfahrens ist zu beachten, dass die Behörde, die sich auf diese Belange beruft, dem Antragssteller u.a. mitzuteilen hat, ob/wann die Informationen zugänglich gemacht werden können und welche Stelle das Material bearbeitet (vgl. § 12 Abs. 4 S. 3 und 4 LTranspG).
Ein auf Informationen zum weiteren Vorgehen und geplanten Maßnahmen gerichteter Antrag ist ggf. abzulehnen, soweit es sich etwa um Informationen zum aktuellen behördlichen Entscheidungsprozess bzw. um interne Mitteilungen, Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung handelt, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Information der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde, es sei denn, das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt; vereitelt würde der Erfolg einer Maßnahme, wenn sie nicht, anders oder wesentlich später zustande käme (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 1 LTranspG). Auch in diesem Fall läuft es im Ergebnis auf eine Abwägung des Informationsinteresses mit dem öffentlichen Interesse an der Bekanntgabe heraus. Soweit ausnahmsweise kein atypischer Fall vorliegt, ist ein Informationszugang daher i.d.R. abzulehnen. Oftmals werden derartige Anfragen durch eine Auskunft beantwortet werden können.