Videogestützte Kommunikationstechnik im Schulunterricht
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Am 1.8.2020 ist in Rheinland-Pfalz das neue Schulgesetz in Kraft getreten, welches auch aus datenschutzrechtlicher Sicht einige Neuerungen mit sich bringt. Der wohl interessanteste Aspekt ist dabei § 1 Abs. 6, welcher es Schulen nunmehr erlaubt, zur Erfüllung ihres Bildungsauftrags auf digitale Lehr- und Lernsysteme und Netzwerke zurückzugreifen. Diese werden ab sofort als regulärer Bestandteil der Erziehungs- und Unterrichtsarbeit gesehen.
Beweggrund für die Schaffung der genannten Vorschrift war ausweislich der Gesetzesbegründung die Tatsache, dass Bildung in einer digitalisierten Welt bedeutet, einschlägige Kompetenzen durch vielfältige Erfahrungs- und Lernmöglichkeiten zu entwickeln und die Digitalisierung aktiv zu nutzen, um die Befähigung zu einer gleichberechtigten, kompetenten Teilnahme am Berufs-, Arbeits- und gesellschaftlichen Leben zu erreichen. Auch Videokonferenzsysteme können zu den digitalen Lehr- und Lernmitteln gezählt werden.
Da der Einsatz digitaler Lehr- und Lernmittel zur Erfüllung des Bildungsauftrages damit gesetzlich vorgesehen ist, entfällt die bislang in diesem Zusammenhang eingeholte Notwendigkeit, eine Einwilligung der Erziehungsberechtigten zur Datenverarbeitung einzuholen, solange die Schule von der Möglichkeit Gebrauch macht, durch die Bestimmung eines digitalen Lehr- und Lernmittels eine Nutzungsverpflichtung zu etablieren. Dann nämlich kann die Datenverarbeitung auf die Grundlage des § 1 Abs. 6 i. V. m. § 67 Abs. 1 SchulG gestützt werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Schulleitung ohne Rückbindung neue digitale Formen des Lernens einfach vorgeben könnte. Vielmehr sind die durch das neue Schulgesetz gestärkten Mitwirkungsrechte der Vertretung für Schülerinnen und Schüler und der Elternvertretungen zu beachten. So ist beispielsweise die Versammlung der Klassensprecherinnen und -sprecher bei der Einführung neuer Lern- und Arbeitsmittel vorher anzuhören (§ 33 Abs. 2 Nr. 2 Schulgesetz).
Auswahl eines geeigneten Videokonferenztools
Der Einsatz eines Videokonferenzsystems soll nicht nur in audiovisueller Hinsicht der Situation des Präsenzunterrichts nahe kommen, er muss auch den Regelungen des Schulgesetzes und des Datenschutzrechts entsprechen. Im Zusammenhang mit der Wahl eines geeigneten Videokonferenzsystems ist auf das wichtige Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 16.7.2020 hinzuweisen, mit welchem dieser das sog. Privacy Shield für ungültig erklärt hat. Dies ist insofern wichtig und folgenreich, als viele Datenübermittlungen in die USA auf dieses Instrument gestützt wurden. Auch beim Einsatz von Videokonferenzsystemen fallen viele personenbezogene Daten an. Handelt es sich dabei um Datenverarbeitungen durch US-amerikanischer Anbieter, lässt sich eine Übermittlung bestimmter Nutzungsdaten in die USA in der Regel nicht vermeiden.
Dieser Verarbeitungsvorgang ist nach dem EuGH-Urteil derzeit allerdings nur noch unter sehr engen Voraussetzungen möglich, welche nach der derzeitigen Rechtslage für Schulen nur schwer zu erfüllen sind.
Genau betrachtet erweist sich die datenschutzkonforme Nutzung von US-amerikanischen Videokonferenzprodukten zu Zwecken des Schulunterrichts als schwierig, da keines der verbleibenden Instrumente die maßgeblichen Bedenken des EuGH auszuräumen in Stande sein dürfte; nämlich dass Sicherheitsbehörden in den USA die Möglichkeit haben, massenhaft auf Daten, welche bei US-amerikanischen Unternehmen gespeichert sind, zuzugreifen und der europäische Nutzer diese Überwachungsmaßnahmen nicht gerichtlich überprüfen lassen kann. Dies mag im schulischen Kontext zunächst abstrakt klingen; aber angesichts der vorhanden Auswertungsmechanismen der amerikanischen Sicherheitsbehörden ist nicht auszuschließen, dass eine flapsige Bemerkung in einem Schulaufsatz oder auch einer Videokonferenz bei der Einreise in die USA, bei einer Bewerbung als Aupair oder bei einer US-amerikanischen Hochschule zu Problemen führen kann. Die Nutzung eines amerikanischen Videokonferenzsystems lässt sich auch nicht mit Einwilligungserklärungen legitimieren, da die Datenschutz-Grundverordnung Schulen im Rahmen ihrer hoheitlichen Tätigkeit den Rückgriff auf die Einwilligung unterbindet (Art. 49 Abs. 3 DS-GVO).
Auch die Nutzung von Servern in Europa durch die US-amerikanischen Anbieter allein hilft nicht weiter. Auf der Grundlage des sog. CLOUD-Act können US-Sicherheitsbehörden nämlich auch auf personenbezogene Daten zugreifen, die von US-amerikanischen Firmen außerhalb der USA verarbeitet werden. Dies könnte nur im Wege eines sogenannten Treuhandmodells verhindert werden.
Die vom Bildungsministerium Rheinland-Pfalz bereitgestellte Landeslösung BigBlueButton (http://schuleonline.bildung-rp.de/digitale-werkzeuge/videokonferenzen.html) wird auf europäischen bzw. eigenen Servern ohne Zugriffsmöglichkeiten für den Hersteller gehostet, so dass keine Datenübermittlung ins außereuropäische Ausland stattfindet.
Aus datenschutzrechtlicher Sicht begegnen diese Angebote zur Erfüllung des Bildungsauftrags durch Schulen daher keinen Bedenken.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass
- Schulen Videokonferenzsysteme vorgeben können, sofern diese datenschutzkonform (s.o.) sind und die Beteiligungsrechte von Eltern und Schülern beachtet werden,
- selbst auf der Basis einer Einwilligungserklärung die Nutzung amerikanischer Videokonferenzsysteme unzulässig ist.