Internetgiganten wie Google und Facebook, die fast alles von uns wissen und Internetnutzer, die offenbar nichts mehr zu verbergen haben - das ist die digitale Bedrohung unserer Zeit!. Dies stellte der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Edgar Wagner, in einer Veranstaltung fest, die heute aus Anlass von 40 Jahren Datenschutz in Rheinland-Pfalz im Landtag stattfand. Im Jahre 1974 hat der Landtag Rheinland-Pfalz eines der ersten Datenschutzgesetze weltweit erlassen, um die Menschen vor den Gefahren der modernen Datenverarbeitung zu schützen. Mit der Veranstaltung vor mehr als 240 Fest- und Ehrengästen im Plenarsaal des Landtags wurde dieses Jubiläum im feierlichen Rahmen begangen.
LfDI Wagner kritisierte in seiner Eröffnungsrede die hemmungslose und ungezügelte Datengier der Internetgiganten ebenso wie das gedankenlose Verhalten vieler Internetnutzer. Beides zusammen ergäbe eine brisante Mischung, die tradierte humanistische Werte unserer Gesellschaft in Frage stellt.
Auch in den Grußworten des Landtagspräsidenten Mertes und der stellvertretenden Ministerpräsidentin Eveline Lemke wurde deutlich, dass die Sicherung der Privatsphäre keineswegs nur ein Anliegen der Datenschutzfamilie ist. Wenn befreundete Nachrichtendienste oder internationale Unternehmen unsere Privatsphäre ausspionieren, dann sage ich: Das kann nicht sein!, betonte Landtagspräsident Mertes: Das Recht auf Privatsphäre ist genauso wichtig wie die Menschenwürde. Die stellvertretende Ministerpräsidentin Lemke hob hervor: Die Welt verändert sich rasant im Zeitalter der Digitalisierung. Politik muss darauf achten, dass der Rahmen für diese Veränderungen angepasst wird.
In seinem Festvortrag Finanzwirtschaft - Informationswirtschaft - Datenwirtschaft - Aus Schaden lernen führte Professor Dr. Max Otte (FH Worms/Universität Graz) aus, dass - ähnlich wie im Bereich der Finanzwirtschaft - auch im Internet Machtasymmetrien unsere Freiheit bedrohten: Internetkonzerne wendeten sich mit dem Ziel der Renditemaximierung dabei nicht nur gegen Bürgerinnen und Bürger, sondern auch gegen regionale und Kleinunternehmen, die den neuen Geschäftsmodellen nichts entgegenzusetzen hätten.
Auch die sich anschließende Podiumsdiskussion unter Leitung des ehemaligen Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar zeigte die Aktualität des Themas Datenschutz ebenso auf wie seine Umstrittenheit.
Dr. Claus-Dieter Ulmer, Datenschutzbeauftragter der Deutschen Telekom Gruppe, kritisierte, dass das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung durch den Staat nur unzureichend geschützt werde. Das habe die NSA-Affäre allen deutlich gemacht. Daher reagiere nun die Wirtschaft mit Angeboten wie dem Internet der kurzen Wege oder E-Mail made in Germany, um die Zugriffsmöglichkeiten von Geheimdiensten und Hackern zu begrenzen.
Demgegenüber warnte Dr. Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs Deutschland, vor einem doppelten Fatalismus. Die um sich greifende Einstellung, man könne gegen Geheimdienste auf der einen und gegen Internetgiganten wie Google auf der anderen Seite nichts machen, sei verheerend. Richtig sei demgegenüber, Fragen des Datenschutzes als Machtfragen zu verstehen - und diese seien weder technisch noch im Wege der Selbstverpflichtung der Wirtschaft, sondern allein politisch zu lösen. Europa, besonders aber Deutschland hätten hier eine Vorbildfunktion, den Neuen Wilden Westen des Datenmarktes zu regulieren. Die großen Internetkonzerne dürfe die Politik nicht alleine lassen.
Thoralf Schwanitz von Google Deutschland wandte sich gegen eine Dramatisierung der Debatte: Google und Co. seien keine digitalen Großfürsten des Internets, sondern Servicedienstleister. Die Datenschützer sollten sich besser bei der Kontrolle der Geheimdienste einbringen - so wie sich einige US-amerikanische Unternehmen inzwischen gegen die unkontrollierte Datensammeltätigkeit der Geheimdienste engagierten.
Datenschutz ist kein Selbstläufer, betonte LfDI Edgar Wagner abschließend. Auch nach 40 Jahren gelebten Datenschutzes sei es keineswegs selbstverständlich, dass unsere informationelle Selbstbestimmung auch zukünftig angemessen geschützt werden könne. Gelingen kann dies nur, wenn alle - sowohl der Gesetzgeber, als auch die Internetwirtschaft und nicht zuletzt die Bürgerinnen und Bürger selbst - daran mitwirken, diesen persönlichen Raum der Freiheit zu erhalten.
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weitere Informationen
- Fotos der Veranstaltung
- Begrüßungsrede des Landesbeauftragten
- Grußwort des Präsidenten des Landtags Rheinland-Pfalz
- Berichterstattung in der SWR-Mediathek