Verfallsdatum für Internetdaten

- Pressemitteilung vom 5. Dezember 2007

Unter dem Motto Glücklich ist, wer vergisst... veranstaltete der Landesbeauftragte für den Datenschutz, Edgar Wagner, gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Stiftung am 3. Dezember 2007 ein Symposium über die Bedeutung des Vergessens und das ewige Online-Gedächtnis des Internet,

zu dem ca. 160 Gäste erschienen waren.

In seinem Einführungsvortrag betonte der Landesbeauftragte für den Datenschutz, Edgar Wagner, die neue Qualität der Informationsvermittlung durch das Internet und formulierte dazu verschiedene Fragen:

  • Haben wir mit dem Internet Grenzen überschritten, wodurch uns neue Gefahren drohen?
  • Gibt es eine Form von digitaler Demenz, weil Menschen sich nicht mehr auf ihr Gedächtnis, sondern nur noch auf die virtuellen Speicher verlassen?

Zur Frage eines Rechts auf Vergessen bezog er eindeutig Position: Es gebe ein solches Recht, das durch das Internet nicht unterlaufen werden dürfe. Er drückte die Hoffnung aus, dass die nachfolgenden Beiträge nicht nur die bestehenden Gefahren aufzeigen, sondern auch Strategien zu deren Bewältigung darlegen würden.

Prof. Dr. Markowitsch, Gedächtnisforscher der Universität Bielefeld mit internationalem Renommee, erläuterte in seinem Vortrag, warum die Evolution zum Mittel des Vergessens gegriffen habe: Um die Aufnahme von Informationen zu optimieren oder Unangenehmes leichter aus dem Bewusstsein herauszunehmen, vergesse das menschliche Gehirn bestimmte Informationen absichtlich. Ein Mechanismus, der letztlich einen evolutionären Vorteil brachte. Menschen, denen diese Fähigkeit des Gehirns fehle, litten in starkem Maße unter ihrem ewigen Gedächtnis.

Im Internet, dem ausgelagerten Gedächtnis der heutigen Zeit, greift dieser Mechanismus nach Auffassung von Prof. Dr. Mayer-Schönberger, Associate Professor an der John F. Kennedy School of Government der Harvard University und Affiliate Professor an der European School of Management and Technology in Berlin, nicht. Hier seien Daten, ob wichtig oder unwichtig, richtig oder falsch, aktuell oder überholt auch nach Jahren noch zugänglich. Anhand des Beispiels einer amerikanischen angehenden Lehrerin, der aufgrund im Internet veröffentlichter Partyfotos die Ausübung Ihres Berufs verwehrt wurde, illustrierte er, welche Konsequenzen dies im Einzelfall haben könne. Weierhin gehe dadurch, dass über Suchmachinen binnen Millisekunden auf Knopfdruck Informationen aus ganzen Lebensläufen zur Verfügung stünden, die zeitliche Dimension und damit ein wesentliches Kriterium für die Bewertung der Validität von Daten verloren.

Ein Ansatz, um den sich daraus ergebenden Risiken Rechnung zu tragen, könne darin bestehen, im Internet veröffentlichte Daten ähnlich wie Lebensmittel mit einem Verfallsdatum zu versehen, um sie damit künstlich vergessen zu machen. Zumindest solle den Internet-Nutzern die Möglichkeit eingeräumt werden, die Dauer der Speicherung festzulegen. Als Beispiel für eine technische Möglichkeit der Umsetzung nannte er die Metadaten der digitalen Fotografie. So wie Blende, Belichtungszeit, Auflösung, Aufnahmezeit und künftig vermutlich auch die Geokoordinaten der eigentlichen Information, dem Foto, beigefügt seien, könne auch ein Ablaufdatum für die Speicherung angegeben werden.

In der anschließenden Diskussion unter Moderation des Datenschutzbeauftragten Edgar Wagner wurde deutlich, dass die technischen Gegebenheiten u.a. des Internet zu einer grundsätzlichen Veränderung im Umgang mit Informationen geführt haben. Während in der analogen Welt das Vergessen der Regelfall ist und ein Erinnern die Ausnahme, verhält es sich in der digitalen Welt umgekehrt. In den Suchmaschinen des Internet, den Foren, Diskussiongruppen und sozialen Netzwerken, den E-Mail und SMS-Speichern ist das Erinnern die Regel und ein Vergessen die Ausnahme. Die Internet- und Handygeneration müsse nach Prof. Mayer-Schönberger sich des Vergessens wieder erinnern, um sich der möglichen Risiken einer uferlosen Speicherung zu erwehren.

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