Auskunftsanspruch in der Heilbehandlung

Auskunftsanspruch in der Heilbehandlung

Das Recht der Patienten auf Einsicht und Auskunft in die sie betreffenden Krankenunterlagen einschließlich der hierzu geführten elektronischen Behandlungsdokumentation ist das wichtigste Betroffenenrecht und mittlerweile in seinem grundsätzlichen Bestand unumstritten. Den Patienten steht danach ein einklagbarer Rechtsanspruch auf Einsicht in und Auskunft aus sämtlichen sie betreffenden Krankenakten zu, ohne dass dies vor der Behandlung vereinbart werden muss. Der Rechtsanspruch gilt auch nach Abschluss der Behandlung. Die Patienten können zugleich die Anfertigung von Kopien verlangen. Verankert ist das Einsichts- und Auskunftsrecht an mehreren Stellen: einerseits im Berufsrecht (§ 10 Abs. 2 BO-Ä und § 11 BO-PT), darüber hinaus im Vertragsrecht (§ 630g BGB) und im allgemeinen Datenschutzrecht (Art. 15 DS-GVO).

Nach Wirksamwerden der Datenschutz-Grundverordnung im Mai 2018 wurde verstärkt die Frage aufgeworfen, ob sich der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO im Rahmen der Heilbehandlung auch auf die Bereitstellung einer vollständigen Kopie der Behandlungsdokumentation erstreckt. Die Angelegenheit hat für die Praxen hinsichtlich der dabei anfallenden Kosten eine praktische Relevanz: denn anders als nach § 630g Abs. 2 Satz BGB und den jeweiligen Berufsordnungen vorgesehen wäre eine auf Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO gestützte Kopie zumindest in der ersten Ausfertigung für die Betroffenen unentgeltlich. Im Ergebnis ist dies nach Ansicht des LfDI Rheinland-Pfalz aufgrund der besonderen Umstände im Bereich der Heilbehandlung der Fall. Dies hat nun der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 26.10.2023 (Az. C-307/22) höchstrichterlich bestätigt. Unerheblich ist, ob sich die Patientinnen und Patienten dabei ausdrücklich auf ihr Auskunftsrecht nach Art. 15 DS-GVO berufen oder nicht.

Grundsätzliches zum Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO

Art. 15 Abs. 1 EU Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) gewährt den von einer Datenverarbeitung betroffenen Personen einen allgemeinen Rechtsanspruch auf Mitteilung, ob und ggf. welche personenbezogene Daten verarbeitet werden. Der Anspruch, dessen Umfang sich aus Art. 15 Abs. 1 lit. a – lit. h DS-GVO ergibt, richtet sich gegen den für die Datenverarbeitung Verantwortlichen. Der Anspruch umfasst nach dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 3 DS-GVO auch die Bereitstellung einer Kopie der personenbezogenen Daten

Umfang des Auskunftsanspruchs im Bereich der Heilbehandlung geht weiter

Im Bereich der Heilbehandlung ist die Reichweite des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DS-GVO weit und erstreckt sich regelmäßig auf die Bereitstellung einer vollständigen Kopie der Behandlungsdokumentation, sofern die Patientin oder der Patient dies verlangt. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26.10.2023 stellt klar, dass im Rahmen eines Arzt-Patienten-Verhältnisses das in Art. 15 Abs. 3 DS-GVO enthaltene Recht auf Erhalt einer Kopie in Bezug auf die Gesundheitsdaten der betroffenen Person einen Anspruch auf eine Kopie der Daten aus der Patientenakte umfasst, die Informationen wie beispielsweise Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte und Angaben zu an ihr vorgenommenen Behandlungen oder Eingriffen enthält. Zugleich verstößt nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs eine nationale Regelung, die bereits vor Inkrafttreten der DS-GVO die Kosten für die Bereitstellung einer ersten Kopie der Behandlungsdokumentation den Patienten auferlegt hat, mittlerweile gegen das EU-Datenschutzrecht. Dies bedeutet, dass die bislang nach berufsrechtlichen Regelungen und § 630g BGB bestehende Möglichkeit einer Kostenerhebung auch für die erste Kopie rechtswidrig ist.

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist aus datenschutzrechtlicher Sicht konsequent und beendet eine seit Inkrafttreten der DS-GVO bestehende Unsicherheit zwischen in Deutschland geltendem nationalem Recht und den Vorgaben des EU-Datenschutzrechts. Inhaltlich ist sie zutreffend, da es sich bei den in einer Patientenakte enthaltenen Daten fast ausschließlich um Gesundheitsinformationen und damit um personenbezogene Daten besonderer Kategorien im Sinne des Art. 9 Abs. 1 DS-GVO handelt. Diese sind nach Art. 15 Abs. 1 lit. b DS-GVO immer im Rahmen der Auskunftserteilung zu benennen. Nach Erwägungsgrund 63 zur DS-GVO umfasst das Recht der betroffenen Person auf Auskunft über ihre eigenen gesundheitsbezogenen Daten auch Informationen zu Daten in ihren Patientenakten, die Informationen wie beispielsweise Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte und Angaben zu Behandlungen oder Eingriffen enthalten. Nach Auffassung des Verordnungsgebers sollte zumindest die Möglichkeit eines direkten Zugangs zu den Daten geschaffen werden.

Einschränkungen des Auskunftsanspruchs

Einschränkungen des aus dem Auskunftsanspruch resultierenden Einsichtsrechts ergeben sich nach der gegenwärtigen Rechtslage lediglich dann, wenn entweder erhebliche Persönlichkeitsrechte Dritter dagegenstehen oder aus therapeutischen Gründen eine Einsichtnahme für den Betroffenen zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr führen würde. Die früher übliche pauschale Ausklammerung der subjektiven Eindrücke oder Wahrnehmungen des Behandlers von dem Einsichtsrecht steht im Widerspruch zum Vertragsrecht und kann in dieser undifferenzierten Form auch aus Sicht der Ärzteschaft nicht aufrecht erhalten bleiben. In Rheinland-Pfalz ist die Berufsordnung der Ärzte dementsprechend an die materiellen Vorgaben angepasst worden.

Begehrt der Patient Einsicht, muss im konkreten Fall auch bei den subjektiven Bestandteilen der Dokumentation geprüft werden, ob ein Verweigerungsgrund im Sinne von § 630g Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegt. Nur in diesem Fall wäre eine Ablehnung der Einsicht, die begründet werden muss, zulässig. Grundsätzlich darf der Patient jedoch nicht vor der Kenntnis seiner gesundheitlichen Verfassung geschützt werden. Denkbar wäre eine Ablehnung nur, wenn die Einsichtnahme den Erfolg der aktuellen Behandlung oder die Gesundheit oder vergleichbare Rechtsgüter Dritter konkret gefährden würde.

Geltendmachung des Auskunftsanspruchs

Den Vorgaben des Datenschutzrechts kann nicht entnommen werden, dass die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DS-GVO eine ausdrückliche Bezugnahme des Patienten auf diese Bestimmung voraussetzt. Maßgeblich ist vielmehr die Auslegung des geäußerten konkreten Begehrens. Kommt darin zum Ausdruck, dass eine Bereitstellung der von der Heilberufspraxis verarbeiteten Daten verlangt wird, ist dies nach Art. 15 Abs. 3 DS-GVO und der in diesem Zusammenhang zu beachtenden rechtlichen Vorgaben in dem Umfang zu erfüllen, wie es der Patient verlangt. Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, in den Praxen den Umgang von Auskunftsbegehren oder vergleichbaren Anliegen zu organisieren. Dabei kann es Sinn machen, die Beantwortung derartiger Anfragen nur einzelnen Mitarbeitern zuzuordnen, die über die hierzu erforderliche Rechtskenntnis verfügen.

Übertragung des Auskunftsanspruchs auf Dritte/Tod des Patienten

Der Patient kann das Einsichts- und Auskunftsrecht auf Dritte übertragen. Hierzu bedarf es einer schriftlichen Vollmacht. Dem Betreuer steht das gleiche Recht zu, wenn sein Aufgabengebiet die Gesundheitssorge für den Patienten umfasst. Nach dem Tod des Patienten steht den Erben zur Wahrnehmung vermögensrechtlicher Interessen bzw. den nächsten Angehörigen, soweit sie immaterielle Interessen geltend machen, das Einsichtsrecht zu, es sei denn, dies steht dem geäußerten oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen entgegen (§ 630g Abs. 3 BGB).

Weitere Informationen

  • Um zum Comic zu gelangen, klicken Sie bitte auf das Bild.