Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in dem Verfahren Online-Durchsuchung (Az. 1 BvR 370/07; 1 BvR 595/07) auf der Grundlage der mündlichen Verhandlung vom 10. Oktober 2007 am 27. Februar 2008 ein grundlegendes und wegweisendes Urteil verkündet. Das am 30. Dezember 2006 in Kraft getretene Änderungsgesetz zum nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzgesetz hatte dem Verfassungsschutz unter anderem die Befugnis gegeben, heimlich auf an das Internet angeschlossene Computersysteme zuzugreifen (sog. Online-Durchsuchung). Die Verfassungsbeschwerden dagegen waren erfolgreich; sie haben zu der Formulierung eines neuen Grundrechts geführt. Dies begrüßt der Landesdatenschutzbeauftragte Rheinland-Pfalz, Edgar Wagner, ausdrücklich. Das Urteil begründet den Schutz der Bürgerrechte bei der Nutzung informationstechnischer Systeme im Internet-Zeitalter in neuer und umfassender Weise.
Aus der Sicht des Landesdatenschutzbeauftragten sind besonders folgende Gesichtspunkte hervorzuheben:
- Das allgemeine Persönlichkeitsrecht enthält als besondere Ausprägung ein Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme; das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung schützt dagegen nicht vor der durch eine Infiltration ermöglichten Datenerhebung aus informationstechnischen Systemen, die sich in Wohnungen befinden.
- Eingriffe in dieses neue Grundrecht dürfen nur erfolgen, wenn sie normenklar, verhältnismäßig und unter Beachtung des Schutzes des Kernbereichs der Persönlichkeit geregelt sind.
- Verhältnismäßig sind solche Eingriffe nur dann, wenn tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut wie Leben und Freiheit einer Person oder den Bestand des Staates oder die Lebensgrundlagen von Menschen bestehen. Damit dürften Maßnahmen des Verfassungsschutzes weit im Vorfeld von konkreten Erkenntnissen ausgeschlossen sein.
Die detaillierten Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts haben viele Zweifelsfragen, die auch der Landesdatenschutzbeauftragte in seinem Tätigkeitsbericht formuliert hat (s. 21. Tätigkeitsbericht, Tz. 7.2.3), geklärt. Sie enthalten viele Aspekte, die in künftigen Gesetzgebungsverfahren sowohl auf der Ebene des Bundes wie in Rheinland-Pfalz zu beachten sein werden. Insgesamt wird durch dieses Urteil der Grundrechtsschutz der Bürger gestärkt; aber auch die staatliche Schutzpflicht kann auf einer sichereren Basis als bislang verwirklicht werden.