Nach den Terroranschlägen in den USA deutet sich in der deutschen Innenpolitik ein Streit über den Umgang mit dem Datenschutz an. Über die Frage, ob der Datenschutz gelockert werden soll, unterhielt sich in Mainz unser Redakteur Winfried Folz mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz, Professor Walter Rudolf, der an der Mainzer Universität Öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht lehrt.
Teilen Sie die Auffassung von Bundesinnenminister Schily, dass man es in Deutschland mit dem Datenschutz möglicherweise etwas übertrieben hat?
Was Rheinland-Pfalz betrifft: Wir haben es nicht übertrieben. Ich stütze mich dabei auf eine Abfrage, die wir 1995 bei der Polizei durchführten, wann und ob der Datenschutz die polizeiliche Arbeit behindert. Es wurde festgestellt, dass es keine solchen Fälle gab. Im ganzen Bundesgebiet ergab die gleiche Umfrage in jenem Jahr lediglich zwei Fälle. Seit 1995 bis zum heutigen Tag sind in Rheinland-Pfalz insgesamt acht Fälle bekannt geworden, in denen der Datenschutz der Polizei hinderlich gewesen sein soll.
Sehen Sie die Gefahr, dass der Datenschutz in der aktuellen Diskussion als lästig dargestellt wird?
Der Datenschutz kann natürlich lästig sein. Genauso wie die Verwaltungsgerichte aus Sicht der Verwaltung lästig sein können. Aber davon abgesehen, habe ich den Eindruck, dass die Sicherheitsbehörden den Datenschutz durchaus nicht als lästig empfinden. Nun sollte man aber das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Das Prinzip muss garantiert bleiben, dass niemand ohne konkreten Anlass überwacht werden darf. Der Datenschutz schützt die in der Verfassung garantierten Persönlichkeitsrechte. Änderungen sind eine Sache vorsichtiger Abwägung.
Es gibt zwei Vorschläge, die jetzt intensiv diskutiert werden: die Regelanfrage beim Verfassungsschutz für Asylbewerber und der Fingerabdruck im Pass. Was halten Sie von diesen Vorschlägen?
In Rheinland-Pfalz gibt es die Regelanfrage nicht. Eine Anfrage beim Verfassungsschutz erfolgt dann, wenn Zweifel an der Person auftauchen. Dagegen ist auch überhaupt nichts zu sagen. In Baden-Württemberg gibt es die Regelanfrage in allen Fällen, das ist dort tägliche Praxis. Beim Fingerabdruck im Pass kann man aus datenschutzrechtlichen Gründen nur wenig einwenden, wenngleich es misslich ist für die Masse der Bevölkerung, die sich rechtstreu verhält. Auf jeden Fall ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu wahren. Im Übrigen halte ich es für zulässig, das in der Verfassung festgeschriebene Religionsprivileg zu überprüfen. Dieses stammt ja noch aus der Weimarer Verfassung, damals gab es in Deutschland nur Christen und Juden. Heute gibt es viele Religionen und leider auch einige radikale Vertreter. Man sollte überlegen, ob die Vorstellungen von 1919 nicht von der Entwicklung überrollt wurden.
Wie beurteilen Sie einen möglichen Angriff der USA auf Afghanistan aus völkerrechtlicher Sicht?
Das ist außerordentlich schwierig zu beantworten. Eines aber ist klar: Wenn die USA Afghanistan angreifen, ist das völkerrechtlich kein Krieg. Davon kann keine Rede sein, auch wenn mancher Politiker hier und in den USA das so bezeichnen. Das Kriegsrecht kann hier jedenfalls nicht angewendet werden. Es sind Maßnahmen, die sich aus dem Selbstverteidigungsrecht eines jeden Staates ergeben. Was aber auch heißt, dass sämtliche Regeln des humanitären Rechts angewendet werden müssen.