Wirtschaftsauskunfteien

Nach der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) ist den Wirtschaftsauskunfteien die Verarbeitung personenbezogener Daten (zum Zweck der Übermittlung/ Auskunftserteilung) erlaubt, wenn es zur Wahrung ihrer berechtigten Interessen erforderlich ist und nicht die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen überwiegen (Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO). Solche Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen überwiegen im Allgemeinen dann nicht, wenn von den Auskunfteien ausschließlich für Kreditentscheidungen bzw. Bonitätsprüfungen bedeutsame Daten gespeichert werden und diese Daten richtig sind (z.B. Beruf, geschäftliche Aktivitäten, Zahlungsweise, usw.).

Eine Übermittlung von personenbezogenen Daten (Auskunftserteilung) ist den Auskunfteien dann erlaubt, wenn der Empfänger (Anfragende) zuvor ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der Daten glaubhaft dargelegt hat und nicht die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen überwiegen.

Ein berechtigtes Interesse an einer Wirtschaftsauskunft wird vor allem in den Fällen gesehen, in denen ein Vertragspartner gegenüber dem anderen Vertragspartner Vorleistungen erbringt oder sonst ein finanzielles Risiko eingeht bzw. einzugehen beabsichtigt, wie z. B. Bestellung bzw. Lieferung auf Rechnung, Ratenkauf, Kreditvergaben, Hypothekenangelegenheiten, Leasinggeschäfte, Mobiltelefonverträge, Mietverträge, Werkverträge, usw.

Die Auskunfteien müssen die betroffenen Personen umfassend informieren (Art. 14 DS-GVO). Den betroffenen Personen steht ein Auskunftsrecht zu (Art. 15 DS-GVO).

Wenn die Daten unrichtig sind, kann Berichtigung verlangt werden (Art. 16 DS-GVO). Dies setzt voraus, dass die Unrichtigkeit nachgewiesen wird. Wird die Richtigkeit der Daten bestritten und lässt sich weder die Richtigkeit noch die Unrichtigkeit feststellen, ist die Verarbeitung einzuschränken (Art. 18 DS-GVO).

Das Recht auf Löschung ergibt sich aus Art. 17 DS-GVO.

Einmeldung offener und unbestrittener Forderungen in eine Wirtschaftsauskunftei
Die Zulässigkeit einer Einmeldung beurteilt sich nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO. Hierzu ist es notwendig, dass die Einmeldung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist. Zudem dürfen die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, nicht überwiegen. Das bedeutet, dass eine Abwägung unter Berücksichtigung dieser Kriterien im Einzelfall vorzunehmen ist.

Im Rahmen dieser Einzelfallprüfung entfalten die nachfolgenden Fallgruppen eine Indizwirkung für eine zulässige Einmeldung:

  1. Die Forderung ist durch ein rechtskräftiges oder für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil festgestellt worden oder es liegt ein Schuldtitel nach § 794 der Zivilprozessordnung vor.
     
  2. Die Forderung ist nach § 178 der Insolvenzordnung festgestellt und nicht vom Schuldner oder der Schuldnerin im Prüfungstermin bestritten worden.
     
  3. Die betroffene Person hat die Forderung ausdrücklich anerkannt.
     
  4. Die betroffene Person ist nach Eintritt der Fälligkeit der Forderung mindestens zweimal schriftlich gemahnt worden, die erste Mahnung liegt mindestens vier Wochen zurück, die betroffene Person ist zuvor, jedoch frühestens bei der ersten Mahnung, über eine mögliche Berücksichtigung durch eine Auskunftei unterrichtet worden und die betroffene Person hat die Forderung nicht bestritten.
     
  5. Das der Forderung zugrundeliegende Vertragsverhältnis kann aufgrund von Zahlungsrückständen fristlos gekündigt werden und die betroffene Person ist zuvor über eine mögliche Berücksichtigung durch eine Auskunftei unterrichtet worden.

Zusätzliche Anhaltspunkte oder Hinweise können ggf. zu einer anderen Abwägung führen.
Darüber hinaus muss eine Kompatibilitätsprüfung nach Art. 6 Abs. 4 DS-GVO erfolgen, weil die personenbezogenen Daten zunächst für einen anderen Zweck – zur Durchführung eines Rechtsgeschäfts und nicht zur Einmeldung bei einer Auskunftei – verarbeitet wurden. Die betroffene Person muss also zuvor durch die Auskunftei-Vertragspartner über die Möglichkeit der Einmeldung unterrichtet worden sein, denn es darf nur das eingemeldet werden, womit die betroffene Person vernünftigerweise rechnen muss (Erwägungsgrund 47 der DS-GVO).

Löschfristen bei Daten über Restschuldbefreiung aus dem öffentlichen Insolvenzregister
Private Wirtschaftsauskunfteien erfassen und speichern in ihren eigenen Datenbanken Informationen aus öffentlichen Registern, insbesondere solche über Restschuldbefreiungen aus dem öffentlichen Insolvenzregister. Bisher löschten die privaten Auskunfteien diese Informationen nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach der Eintragung gemäß den Verhaltensregeln für die Prüf- und Löschfristen von personenbezogenen Daten durch die deutschen Wirtschaftsauskunfteien vom 25.05.2018 (in der Fassung vom 01.01.2020), die in Deutschland vom Verband der Wirtschaftsauskunfteien ausgearbeitet und von der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen genehmigt wurden.

In den verbundenen Rechtssachen C-26/22 und C-64/22| SCHUFA Holding (Restschuldbefreiung) hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass private Auskunfteien Daten über eine Restschuldbefreiung jedenfalls nicht länger speichern dürfen als das öffentliche Insolvenzregister. Das heißt, dass Informationen zur Restschuldbefreiung aus dem öffentlichen Insolvenzregister nach Erreichen der Speicherdauer des öffentlichen Insolvenzregisters auch aus dem Datenbestand der Auskunftei gelöscht werden müssen. Nach diesem Zeitraum kann die Speicherung dieser Daten durch eine Wirtschaftsauskunftei nicht mehr auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO gestützt werden, sodass eine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung fehlen würde.
 

„Scoring“

Wirtschaftsauskunfteien geben nicht nur Auskünfte über Zahlungsweisen oder andere wirtschaftliche Aktivitäten, sondern nutzen die vorhanden Informationen, um daraus einen sog. Scorewert zu berechnen.

Scoring spielt meist dann eine Rolle, wenn man etwas auf Kredit kaufen möchte. Dies gilt nicht nur für den Abschluss eines klassischen Kreditvertrags z. B. über ein Baudarlehen, sondern auch, wenn das Unternehmen zuerst seine Leistung erbringt und der Vertragspartner dann erst zahlen soll. Typische Beispiele sind Bestellungen im Online- und Versandhandel auf Rechnung oder der Abschluss eines Mobilfunkvertrags. Auch Wohnungs- und Versicherungswirtschaft sowie viele Handwerksbetriebe nutzen das Scoring. Der Scorewert entscheidet aber nicht nur, ob überhaupt ein Kredit gewährt wird, sondern kann auch relevant dafür sein, unter welchen Bedingungen dies erfolgt. Kreditinstitute z. B. bestimmen oft nach solchen Einordnungen die Zinshöhe für ein Darlehen: Ein „guter“ Kunde, bei dem eine reibungslose Rückzahlung erwartet werden kann, wird im Zweifel bessere Konditionen erhalten als ein „schlechter“ Kunde, bei dem mit Zahlungsschwierigkeiten zu rechnen ist.

Zusammenfassend lässt sich sagen:
Unternehmen und Dienstleister erhalten eine Risikoeinschätzung und können damit ihre Geschäfte besser absichern. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen von schnellen, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Vertragsabschlüssen profitieren.

Auskunfteien verdienen auf dem wachsenden Markt des Kreditgeschäfts durch den Handel mit Scorewerten.

Verbraucherinnen und Verbraucher müssen ein großes Interesse daran haben, einen guten Scorewert zu erzielen, wenn sie weiterhin auf Kredit zu guten Bedingungen am Geschäftsleben teilhaben wollen.

Wie funktioniert Scoring?
Aus unterschiedlichen Informationen, die über eine Person bekannt sind, wird die Wahrscheinlichkeit berechnet, mit der diese Person ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen wird. Zu diesen relevanten Informationen zählen z. B. Alter, Familienstand, Anzahl der Mobilfunkverträge, bisherige Kreditaktivitäten, Zahlungsausfälle oder Eintragungen in das Schuldnerverzeichnis. In erster Linie werden Scorewerte von Auskunfteien gebildet. Bekannte Auskunfteien sind die SCHUFA Holding AG, Arvato Infoscore GmbH und CRIF GmbH. Diese schließen in der Regel sog. Rahmenverträge mit Unternehmen ab. Bei Bedarf fragt das Unternehmen nach dem Scorewert eines zukünftigen Kunden und erhält von der Auskunftei auf Mausklick einen Scorewert übermittelt.
Nicht alle Auskunfteien speichern so viele Daten wie z.B. die SCHUFA Holding AG. Jede Auskunftei nutzt eine andere Berechnungsmethode und auch die ausgeworfenen Scorewerte sehen unterschiedlich aus: So kann dies z.B. ein Zahlenwert zwischen 1 und 1000 sein. Je höher der einer Person zugeordnete Wert ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie einen Kredit zurückzahlt. Andere weisen die Kreditwürdigkeit in einem Ampelsystem aus: Bei Grün wird der Geschäftsabschluss empfohlen, bei Rot wird davon abgeraten.

Auch Unternehmen, in erster Linie Kreditinstitute, bilden eigene Scorewerte aus den Informationen, die sie selbst über Kunden sammeln.

Was sagt das Datenschutzrecht?
Zum Scoring finden sich keine direkten Vorgaben in der Datenschutz-Grundverordnung. Wenn Entscheidungen ausschließlich auf den errechneten Scorewert gestützt werden, handelt es sich um eine automatisierte Entscheidung. Dies hat auch der Europäische Gerichtshof so gesehen: Er hat in der Rechtssache C-634/21|SCHUFA Holding (Scoring) festgestellt, dass die Erstellung und Verwendung eines Scorewerts als automatisierte Entscheidung über den Kredit angesehen wird, sofern ihm die Kreditgeber „eine maßgebliche Rolle im Rahmen der Kreditgewährung beimessen“. Folglich verstößt das Scoring gegen die DS-GVO, wenn dieses eine maßgebliche Rolle bei der Entscheidung über den Vertragsschluss bzw. die Kreditvergabe spielt.

Eine solche automatisierte Entscheidung im Sinne von Art. 22 Abs. 1 DS-GVO ist grundsätzlich unzulässig und darf gemäß Art. 22 Abs. 2 DS-GVO nur bei Erforderlichkeit für den Abschluss oder die Erfüllung eines Vertrags (lit. a), aufgrund einer gesetzlichen Erlaubnis (lit. b) oder mit ausdrücklicher Einwilligung (lit. c) getroffen werden.

§ 31 BDSG könnte eine solche gesetzliche Erlaubnis darstellen. Nach dieser Regelung zum „Schutz des Wirtschaftsverkehrs bei Scoring und Bonitätsauskünften“ gilt, dass nur Daten verwendet werden dürfen, die wissenschaftlich nachgewiesen für die Berechnung des Wahrscheinlichkeitswerts erheblich sind. Zudem dürfen danach Anschriftendaten nicht ausschließlich den Scorewert bestimmen. Werden diese neben anderen Informationen in das Scoring einbezogen, sind die Betroffenen zuvor darüber zu unterrichten. 

In seinem Urteil hat der Europäische Gerichtshof jedoch auch seine Zweifel an der Vereinbarkeit der Regelung mit dem Unionsrecht geäußert. Es sei nun Sache des vorlegenden Gerichts zu prüfen, ob § 31 BDSG als Rechtsgrundlage im Sinne von Art. 22 Abs. 2 Buchst. b DS-GVO qualifiziert werden kann.

Die Datenschutz-Grundverordnung selbst legt größten Wert auf Transparenz und enthält daher stark ausgeprägte Informationspflichten und Auskunftsrechte, die auch das Scoringverfahren umfassen. Betroffene Personen müssen informiert werden und können Auskunft verlangen, u.a. wie ihr Scorewert zustande kommt und an wen er übermittelt wurde. Dies muss in allgemeinverständlicher Form erfolgen.