Videoüberwachung des Gewerbebetriebs

I. Videoüberwachung gemäß Datenschutz-Grundverordnung

Videoüberwachung ist eine Form optoelektronischer Datenverarbeitung. Sobald personenbezogene Daten erfasst, gespeichert oder übermittelt werden, unterliegt dies datenschutzrechtlichen Vorgaben. Diese sind im Wesentlichen in der Datenschutz-Grundverordnung geregelt. Personenbezogene Daten sind alle Informationen, die einen Rückschluss auf die Identität der betroffenen Person ermöglichen, Art. 4 Nr. 1 DS-GVO. Im Falle einer Videoüberwachung ist dies insbesondere dann der Fall, wenn Gesichter, Kfz-Kennzeichen oder sonstige identifizierende Merkmale erkannt werden können. Es kommt nicht darauf an, ob die Aufnahmen gespeichert werden (Videoüberwachung), oder ob die Aufnahmen nur im Rahmen eines Live-Monitoring auf einem Bildschirm ausgegeben werden (Videobeobachtung). In beiden Fällen liegt eine Verarbeitung personenbezogener Daten vor.

Die Videoüberwachung des Gewerbebetriebs wird durch Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO geregelt. § 4 BDSG findet im nicht-öffentlichen Bereich, also bei der Durchführung einer Videoüberwachung durch natürliche Personen oder juristische Personen des Privatrechts, keine Anwendung. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 27.03.2019, Az. 6 C 2/18 klargestellt. Sofern Beschäftigte von der Videoüberwachung betroffen sind, ist außerdem § 26 BDSG zu beachten. Die Videoüberwachung von Beschäftigten ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig.

Die rechtmäßige Durchführung einer Videoüberwachung unterliegt darüber hinaus umfangreichen formellen Vorgaben. Die Videoüberwachung muss nicht nur fair und transparent erfolgen – die Verantwortliche muss diese Datenverarbeitung auch sorgfältig dokumentieren, Art. 5 DS-GVO. Verstöße gegen diese formellen Vorgaben können erhebliche Geldbußen nach sich ziehen.

 

II.  Voraussetzungen der Videoüberwachung

Bei einer Videoüberwachung sind die Interessen des Verantwortlichen gegen die Interessen der betroffenen Personen abzuwägen. Diese Interessenabwägung erfolgt auf Grundlage von Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO.

Ihre berechtigten Interessen:

Die Videoüberwachung muss zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen – also desjenigen, der die Videoüberwachung durchführt – erforderlich sein. Ein berechtigtes Interesse kann jedes Interesse des Verantwortlichen oder auch eines Dritten sein, welches mit der Rechtsordnung in Einklang steht. Das berechtigte Interesse muss konkret benannt werden. Dies sollte sich nicht auf einen pauschalen Verweis – etwa auf das Hausrecht oder den Eigentumsschutz – beschränken. Stattdessen sollte ein klarer Bezug zum Verwendungszweck und der Gefährdungslage ersichtlich sein. Dies ist bereits auf den Hinweisschildern zu dokumentieren.

Die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen:

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Videoüberwachung ein schwerwiegender Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist (Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 23.02.2007, Az. 1 BvR 2368/07). Dabei fällt besonders schwer ins Gewicht, dass die Videoüberwachung anlasslos und verdachtsunabhängig alle Personen erfasst, die sich in dem überwachten Bereich aufhalten oder ihn durchqueren. Gerade wer keinen Anlass für eine Überwachung gegeben hat, hat ein Recht darauf, sich unbeobachtet bewegen und verhalten zu können. Kein Mensch will überwacht und beobachtet werden – geschweige denn, dass diese Aufnahmen später im Internet veröffentlicht werden, und sei es nur auf Umwegen.

Die belegte und dokumentierte Gefährdungslage:

Daher ist für die Durchführung einer Videoüberwachung eine erhebliche Gefährdung der berechtigten Interessen der Verantwortlichen erforderlich. Die lediglich allgemeine Sorge vor Straftraten oder allgemeiner Vandalismus rechtfertigen die anlasslose Überwachung sämtlicher Personen im überwachten Bereich regelmäßig nicht. Die Gefährdungslage muss sich aus tatsächlichen Erkenntnissen ergeben – subjektive Befürchtungen oder ein Gefühl der Unsicherheit reichen nicht aus (BVerwG, aaO, Rn 28).

Es ist gesondert zu prüfen, zu welchem Zeitpunkt die Videoüberwachung durchgeführt wird. Häufig besteht die Gefährdungslage nicht durchgängig, sondern nur zu bestimmten Zeiten. Dann ist eine Videoüberwachung auch nur in dem Zeitraum erforderlich, in dem die Gefährdungslage besteht – etwa bei Nacht.

Der Umfang des überwachten Bereiches ist ebenfalls sorgfältig zu prüfen. Moderne Videokameras ermöglichen es, bestimmte Bereiche dauerhaft von der Überwachung auszunehmen. Der Verweis auf eventuell höhere Kosten kann die Verantwortliche hier regelmäßig nicht entlasten.

Besonders geschützte Bereiche:

Soweit der überwachte Bereich zur Freizeitgestaltung genutzt wird, sind die Anforderungen erneut erhöht. An Orten der Kommunikation, des Austauschs und der Freizeitgestaltung – Gaststätten, Festzelte, Kinos, Parkanlagen etc. – muss eine Videoüberwachung regelmäßig nicht geduldet werden. Ausgeschlossen ist eine Videoüberwachung, sobald die Intimsphäre berührt ist – beispielsweise Toiletten und Umkleiden. Kinder stehen unter dem besonderen Schutz der Datenschutz-Grundverordnung: Eine Videoüberwachung von Bereichen, die auch von Kindern und Jugendlichen genutzt werden, unterliegt besonders strengen Voraussetzungen.

Die Überwachung des öffentlichen Verkehrsraumes, etwa von Bürgersteigen, ist nur in außerordentlich engen Grenzen zulässig und bedarf einer besonderen Rechtfertigung und sorgfältigen, zu dokumentierenden, Abwägung.

Erforderlichkeit und Alternativen einer Videoüberwachung:

Die Videoüberwachung muss erforderlich sein, um die berechtigten Interessen der Verantwortlichen zu wahren. Dieser wichtige Aspekt wird oft unzureichend berücksichtigt. Eine Videoüberwachung ist erforderlich, wenn:

  • ein Grund, etwa eine Gefährdungslage, hinreichend durch Tatsachen oder die allgemeine Lebenserfahrung belegt ist,
  • und diesem nicht ebenso gut durch eine andere gleich wirksame, aber schonendere Maßnahme Rechnung getragen werden kann.

Schonender als eine Videoüberwachung sind insbesondere Maßnahmen, die das informationelle Selbstbestimmungsrecht nicht berühren.

Als solche kommen insbesondere

  • Verbesserung der Beleuchtung
  • Einsatz von Bewegungsmeldern
  • Installation von Alarmanlagen
  • Zutrittssicherungen
  • Beauftragung von Sicherheitspersonal

in Betracht. Auch eine bessere Einsehbarkeit der gefährdeten Bereiche ist oft sehr hilfreich.

Es kann geboten sein, deutlich teurere und aufwändigere Lösungen einzusetzen, um die Rechte der betroffenen Personen zu wahren. Eine Videoüberwachung wird nicht dadurch erforderlich, dass sie die günstigste und/oder komfortabelste Lösung darstellt.

Speicherung und Datensicherheit:

Ob und wie lange eine Speicherung der Aufnahmen erfolgt, muss sorgfältig geprüft werden. Es ist sicherzustellen, dass nur so lange gespeichert wird, wie nötig. Eine Speicherdauer von mehr als 72 Stunden bedarf einer besonderen Rechtfertigung. Die Speicherdauer ist auf den Hinweisschildern anzugeben.

Der Zugang zu den Videoaufzeichnungen und der Kamerasteuerung ist auf diejenigen Personen zu beschränken, die zwingend Zugriff auf die Datenverarbeitung haben müssen. Frei zugängliche oder gar offen einsehbare Aufzeichnungen sind unzulässig. Die Verwendung veralteter netzwerktauglicher Kameras, die dem aktuellen Stand der IT-Sicherheit nicht mehr genügen und keine Sicherheitsupdates mehr erhalten, verstößt ebenfalls gegen die Datenschutz-Grundverordnung (Art. 5 Abs. 1 lit. f, Art. 32 DS-GVO).

 

III. Hinweis-, Dokumentations-, Melde- und Benachrichtigungspflichten – formelle Vorgaben

Bei der Durchführung einer Videoüberwachung sind die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung in vollem Umfang zu beachten. Insbesondere sind die betroffenen Personen vor Betreten des überwachten Bereiches gemäß Art. 12, 13 DS-GVOüber die Videoüberwachung zu informieren. Das bedeutet, dass eine Information über die Identität der Verantwortlichen, den Zweck der Videoüberwachung, die Speicherdauer und die Betroffenenrechte gem. Art. 15ff DS-GVOund über weitere Punkte erfolgen muss. Muster für entsprechende Hinweisschilder können Sie in der Marginalspalte, unter „Materialien“, herunterladen.

Darüber hinaus muss die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften nachgewiesen werden, Art. 5 Abs. 2 DS-GVO. Auf die Pflicht zum Führen eines Verarbeitungsverzeichnisses, Art. 30 DS-GVO, der Meldung und Protokollierung von Datenpannen, Art 33 DS-GVO, den Datenschutz durch sichere Technikgestaltung, Art. 25 DS-GVO und die Sicherheit der Datenverarbeitung, Art. 32 DS-GVO, wird daher an dieser Stelle hingewiesen. Sofern die Videoüberwachung zusammen mit Dritten vorgenommen wird, kommt eine Auftragsverarbeitung, Art. 28 DS-GVO, oder eine gemeinsame Verantwortlichkeit, Art. 26 DS-GVO, in Betracht.

Eine Verletzung der formellen Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung kann auch dann Sanktionen, etwa Geldbußen, zur Folge haben, wenn die Videoüberwachung selbst dem Grunde nach rechtmäßig ist. Umgekehrt bedeutet eine ordnungsgemäße Beschilderung nicht, dass die Videoüberwachung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVOschon deshalb rechtmäßig ist (vgl. auch BVerwG, aaO, Rn 23). Wer einen videoüberwachten Bereich betritt, willigt auch nicht gem. Art. 7 DS-GVO in die Datenverarbeitung ein, nur weil ein Hinweisschild angebracht wurde.

Die Interessensabwägungen sind von der Verantwortlichen gem. Art. 5 Abs. 2 DS-GVO zu dokumentieren. Erfahrungsgemäß empfiehlt es sich, eine förmliche Stellungnahme des betrieblichen Datenschutzbeauftragten einzuholen oder externes Fachpersonal zu Rate zu ziehen. Bei einer hohen Zahl von betroffenen Personen und/oder einem hohen Risiko für die Rechte und Freiheiten betroffener Personen kann eine Datenschutz-Folgenabschätzung, Art. 35 DS-GVO, erforderlich werden.

Die aktuelle Position der europäischen Aufsichtsbehörden ist in den Richtlinien des Europäischen Datenschutzausschusses zur Videoüberwachung (3/2019, veröffentlicht am 10.07.2019 in englischer Sprache unter https://edpb.europa.eu/our-work-tools/public-consultations/2019/guidelines-32019-processing-personal-data-through-video_en) festgehalten.
 

 

IV. Besondere Anforderungen zum Beschäftigtendatenschutz

 

Eine dauerhafte Videoüberwachung von Beschäftigten greift tief in deren Persönlichkeitsrechte ein. Die Beschäftigten können sich einer möglichen Verhaltens- und Leistungskontrolle nicht entziehen und befinden sich darüber hinaus in einem Abhängigkeitsverhältnis. Aus diesem Grund dürfen Arbeitsplätze, an denen sich Beschäftigte dauerhaft aufhalten, grundsätzlich nicht mit einer Videoüberwachung ausgestattet werden (Ausnahmen können sich aus Spezialgesetzen ergeben). Sozial- und Pausenräume sind immer auszunehmen.

Die Zulässigkeit einer Videoüberwachung des Arbeitsplatzes ist nach den Kriterien von § 26 BDSG zu beurteilen. Dabei sind die dort genannten Erlaubnistatbestände regelmäßig nicht erfüllt:

  • Die Videoüberwachung ist keine Datenverarbeitung, die für die Begründung, Durchführung oder Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist.
  • Eine Einwilligung gemäß § 26 Abs. 2 BDSG kommt regelmäßig nicht als rechtliche Grundlage in Betracht, da sie nicht als freiwillig angesehen werden kann. Zudem darf keine Kopplung zwischen der Einwilligung und dem Arbeitsvertrag entstehen.
  • Auch eine Tarif- oder Betriebsvereinbarung, die den Anforderungen von Art. 88 DS-GVO in Verbindung mit § 26 Abs. 4 BDSG genügt, liegt in den meisten Fällen nicht vor.
  • Ausnahmsweise kann eine (verdeckte) Videoüberwachung als letztes Mittel gem. § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG gerechtfertigt sein, wenn aufgrund dokumentierter konkreter Anhaltspunkte die Begehung von Straftaten durch einzelne Beschäftigte aufgedeckt werden soll.

Arbeitgeber müssen vor Einrichtung einer Videoüberwachung eine Datenschutzfolgenabschätzung nach Art. 35 DS-GVO durchführen sowie den/die Datenschutzbeauftragte(n) und den Betriebs- bzw. Personalrat einbinden. Alle Beschäftigten sind umfassend über den Zweck, Art und Umfang der Videoüberwachung sowie über ihre Recht nach Art. 12, 13 DS-GVO zu informieren.

Beispiele:
Die Videoüberwachung einer Werkstatt, um Arbeitsabläufe zu optimieren und zu lange „Schwätzchen“ zwischen den Beschäftigten zu unterbinden, ist nicht zulässig. Eine offene Videoüberwachung des Kassenbereichs im Supermarkt kann dagegen gerechtfertigt sein.
 

 

Materialien