Weitergabe von Chatnachrichten aus WhatsApp-Gruppen an den Arbeitgeber
Die Weitergabe von Chatnachrichten aus geschlossenen Benutzergruppen an den Arbeitgeber greift in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Nur in Ausnahmefällen ist eine solche Weitergabe datenschutzrechtlich gerechtfertigt.
Datenschutzfragen im Zusammenhang mit der Nutzung von Messenger-Diensten beschäftigen den Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (LfDI) immer häufiger. Wiederholt wandten sich Betroffene an den LfDI, nachdem Chatnachrichten aus geschlossenen Benutzergruppen (z.B. unter Nutzung von WhatsApp) an Dritte weitergegeben wurden. Teilweise handelte es sich bei diesen Dritten um den Arbeitgeber der Betroffenen, der sodann mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen drohte oder sogar Kündigungen aussprach. Die Weiterleitung von Chatnachrichten und Bildern stellt einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar. Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind auch das Recht am geschriebenen Wort sowie das Recht am eigenen Bild. Grundsätzlich hat jeder Kommunikationspartner in einem Chatgespräch das Recht, selbst zu bestimmen, wem Äußerungen zugänglich gemacht werden (z.B. nur einem Gesprächspartner, einem bestimmten Adressatenkreis oder der Öffentlichkeit). Auch wenn an einem WhatsApp-Chat mehrere Personen teilnehmen, wird dieser damit nicht öffentlich. Der Inhalt des Chats darf daher ohne die Einwilligung der Gesprächspartner nicht weitergegeben werden.
Die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) sind jedoch nur anwendbar, wenn der Inhalt der weitergegebenen Chatnachrichten sowie die Weitergabe der Nachricht nicht einem rein privaten Zweck diente (Art. 2 Abs. 2 lit. c DS-GVO bzw. § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG, sog. „Haushaltsausnahme“). Werden beispielsweise Nachrichten unter Bekannten oder Kolleginnen und Kollegen an andere Bekannte weitergeleitet, finden die datenschutzrechtlichen Bestimmungen keine Anwendung und dem LfDI fehlt es als Aufsichtsbehörde an der erforderlichen Zuständigkeit zur Aufklärung und Ahndung solcher Fälle.
Sollte es sich um einen Fall der Haushaltsausnahme handeln, stehen der betroffenen Person aber zivilrechtliche Ansprüche zu. Sie kann die Verbreitung untersagen und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung fordern. Daneben wäre ggf. auch ein Anspruch auf ein angemessenes Schmerzensgeld denkbar, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht handelt. Das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg nahm dies z.B. bei der Verbreitung von intimen Bildern aus einem WhatsApp-Chat an (vgl. Urteil vom 15.01.2015, Az. 239 C 225/14). Darüber hinaus kann bei der unberechtigten Weitergabe von WhatsApp-Sprachnachrichten der Straftatbestand des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt sein.
Werden Chatnachrichten jedoch mit Gewinnerzielungsabsicht weitergegeben, in einem Gerichtsverfahren verwendet oder an einen Arbeitgeber weitergegeben, sind die DS-GVO und das BDSG anwendbar. Die Weitergabe von privaten Nachrichten an einen außenstehenden Dritten ist dann nur nach Maßgabe der datenschutzrechtlichen Bestimmungen zulässig.
Ein Arbeitgeber darf die Daten aus einem privaten Chat u.a. nur dann erheben, wenn dies nach Art. 6 Abs. 1 lit. b DS-GVO bzw. § 20 Abs. 1 Satz 1 LDSG für die Begründung, Durchführung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich war. In Betracht kommt auch eine Erhebung gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 BDSG zur Aufdeckung von Straftaten, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass die betroffene Person im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat. Dürfen die Daten vom Arbeitgeber nicht erhoben werden, dürfen darauf auch keine arbeitsrechtlichen Maßnahmen gestützt werden (Verwertungsverbot). In der Regel sind private Unterhaltungen in Chats – auch wenn die Unterhaltungen unter Kolleginnen und Kollegen stattfinden – nicht für die Begründung, Durchführung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich (vgl. Arbeitsgericht Mainz, Urteil vom 15.11.2017 – 4 Ca 1240/17).
Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass Beschäftigte in Bezug auf den Inhalt der Chatnachrichten eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung haben. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 24.08.2023 – 2 AZR 17/23) nur dann der Fall, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Das wiederum ist zum einen abhängig vom Inhalt der ausgetauschten Nachrichten. Zum anderen spielt aber auch die Größe und personelle Zusammensetzung der Gruppe eine Rolle. Enthalten – wie in dem vom Bundesarbeitsgericht zu entscheidenden Fall – die ausgetauschten Chatnachrichten beleidigende oder menschenverachtende Äußerungen über Kolleginnen und Kollegen, bedarf es einer besonderen Darlegung, warum die oder der Beschäftigte berechtigt erwarten konnte, dass der Inhalt der Nachrichten nicht von einem Gruppenmitglied an Dritte weitergegeben werde.
Im öffentlichen Dienst haben die Beschäftigten außerdem eine sogenannte außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht. Daher können Äußerungen in einem privaten Chat, die einen unmittelbaren Bezug zum Arbeitgeber aufweisen und mit einer Rufschädigung des Arbeitgebers verbunden sind, ausnahmsweise vom Arbeitgeber zur Kenntnis genommen werden und als Grundlage für arbeitsrechtliche Maßnahmen dienen.