Der rheinland-pfälzische Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Edgar Wagner, hat die globale Internet-Überwachung durch den amerikanischen Geheimdienst NSA zum Anlass für eine erste Stellungnahme genommen.
I.
Es könne niemanden überraschen - so Wagner -, dass der amerikanische Geheimdienst seit geraumer Zeit u.a. auf Google- und Facebook-Daten zugreife und diese Daten auswerte. Schon seit Jahren sei aktenkundig, dass die Auslandsaufklärung der USA die internationale, über Satelliten geführte Kommunikation abhöre und dass es auch Zugriffsmöglichkeiten amerikanischer Sicherheitsbehörden auf die Datenbestände von US-Cloud-Anbietern wie Google, Microsoft und Amazon gebe. Zu letzterem liege sogar eine EU-Studie vor. Deshalb habe man auch damit rechnen müssen, dass dem Geheimdienst der totale Zugriff auf sämtliche Internet-Datenbestände möglich sein würde.
Überraschend sei nur, dass jemand den Mut gefunden habe, unter Inkaufnahme schwerer persönlicher Nachteile den vollen Umfang dieser Eingriffe aufzudecken. Auch wenn dies als Geheimnisverrat zu werten sei, verdiene es angesichts der Dimension des Vorgangs doch Respekt, jedenfalls gelte dies für den bisher bekannt gewordenen Beweggrund, die Bürgerinnen und Bürger in einer öffentlichen Debatte darüber mitbestimmen zu lassen, wie weit in digitalen Zeiten private Lebensumstände durch staatliche Stellen ausgespäht werden dürfen.
Es ist deshalb zu begrüßen- so Wagner - dass jetzt auch in den USA darüber diskutiert wird, ob die Geheimdienstpraxis legal oder illegal gewesen ist, wo die Grenzen staatlicher Umwachungsmaßnahmen liegen und ob es in den USA unterschiedliche Datenschutzstandards für US-Bürger und Ausländer gibt. Notwendig sei darüber hinaus aber vor allem eine lückenlose Aufklärung darüber, wie die Kommunikationsüberwachung stattgefunden habe und ob die betroffenen Internetfirmen von Google bis Facebook, von Apple bis Microsoft unterrichtet waren und ihre digitalen Finger im dunklen Spiel hatten. Wäre es so, würde dies ein Schlaglicht darauf werfen, wie diese Internetgiganten mit den ihnen anvertrauten Daten ihrer Nutzer und Mitglieder umgehen.
Es sei allerdings - so Wagner - zu befürchten, dass die laufenden Diskussionen und Aufklärungsversuche zu keinem Umdenken in den USA führen werden. In einem Land, das 09/11 erlebt und Guantanamo akzeptiert habe, besitze der Datenschutz einen weit geringeren Stellenwert, als dies bei uns der Fall sei.
II.
Aber auch hierzulande - so Wagner - sind die Datenschutz-Defizite hinsichtlich der großen US-Internetanbieter substanziell. Der Deutsche Bundestag hat mit Blick auf Google, Facebook und Co. seine Arbeit eingestellt und verweist auf Europa. Der europäische Gesetzgeber scheitert allerdings gerade dabei, in einer Datenschutz-Grundverordnung auch US-amerikanische Unternehmen an europäische Datenschutzstandards zu binden. Die Wahlperiode des Europäischen Parlaments wird aller Voraussicht nach ohne entsprechende Regelung zu Ende gehen, was in dem komplizierten europäischen Rechtssetzungsmechanismus zur Folge hat, dass in den nächsten fünf bis sechs Jahren keine entsprechenden Regelungen zur Anwendung kommen werden. Darüber hinausgehende Datenschutzabkommen zwischen der EU und den USA sind zwar ebenfalls notwendig, allerdings kann man sie sich aus Sicht des Datenschutzes kaum wünschen, weil es den USA regelmäßig gelingt, ihre datenschutzfernen Interessen konsequent durchzusetzen. Das hat zuletzt das im vergangenen Jahr beschlossene Abkommen über die Speicherung von Fluggastdaten wieder deutlich gemacht.
Diese Situation führe beim transatlantischen Datenschutz im Allgemeinen und mit Blick auf das Internet im Besonderen zu unhaltbaren Zuständen. Die großen US-Internetunternehmen begreifen - so Wagner - das world wide web als weitgehend regelungsfreien Raum. In dieser unregulierten Welt genießen selbst die besonders Schutzbedürftigen nicht den gebotenen Schutz. Jugendschutz.net hat - um nur ein Beispiel zu nennen - in diesen Tagen ausdrücklich beanstandet, dass weder Facebook noch Google+ dafür sorgen, dass Kindern der Zugang zu ihren Netzwerken versperrt bleibt. Hinzuzufügen ist, dass sie dafür - mangels gesetzlicher Regelung - noch nicht einmal zur Rechenschaft gezogen werden können.
III.
In diesem beklemmenden Datenschutz-Szenario hätten die Länder - so Wagner weiter - zwar nur einen geringen Handlungsspielraum. Aber diesen sollten sie nutzen. Sie dürften sich zum einen nicht damit abfinden, dass die vom Bundesrat einstimmig beschlossenen Gesetzentwürfe zur Verbesserung des Datenschutzes gegenüber den großen Internetfirmen von der Bundesregierung blockiert werden. Diese Gesetzentwürfe müssten wieder auf die Tagesordnung. So lange es keine europäischen Regelungen gäbe, könnten auf diese Weise die US-Internetkonzeren gezwungen werden, Daten tatsächlich zu löschen, wenn die Nutzer und Mitglieder dies verlangten.
Zum Zweiten müssten die Länder mehr als bisher unternehmen, um digitale Medienkompetenz der Bürgerinnen und Bürger zu verbessern. Wer nicht will, dass sein Privatleben von Geheimdiensten ausgespäht und seine Persönlichkeit von Google und Facebook durchleuchtet wird, muss auch selbst etwas dagegen tun, meinte Wagner. Möglichkeiten dafür gäbe es genug. Sie reichten von einer strengeren Datendisziplin im Netz über die Nutzung von Tarnidentitäten, die Verschlüsselung von vertraulichen Informationen, den weitgehenden Verzicht auf persönliche Fotos bis zu einer größeren Distanz zu den Internetdiensten, die von den US-Geheimdiensten abgeschöpft werden, was auch die Nutzung alternativer Suchmaschinen bedeutet. Internetkompetenz stellt sich nicht von alleine ein. Sie muss erlernt werden, vor allem in den Schulen. Trotz vieler guter, zum Teil auch beispielhafter Ansätze wird aber auch in Rheinland-Pfalz nicht genug unternommen, um die Menschen fit für unser digitales Zeitalter zu machen.
Vor allem müsse der Staat sich selbst als medienkompetent erweisen und insoweit Vorbild sein. Deshalb verbiete es sich z.B. für Lehrerinnen und Lehrer mit ihren Schülerinnen und Schülern in schulischen Angelegenheiten über Facebook zu kommunizieren, so wie es sich jetzt geradezu aufdränge, dass der Staat nicht mit Hilfe von Facebook-Fanseiten mit seinen Bürgerinnen und Bürgern kommuniziert.
Schließlich sei es auch an der Zeit, dass Staat und Wirtschaft in Rheinland-Pfalz und anderswo alternative Netzwerke intensiver und nachhaltiger als bisher unterstützen. Wenn Facebook sich offensichtlich in datenschutzfreien Räumen bewegen könne, sei es an der Zeit, kleinere europäische Alternativen aufzubauen. Entsprechende Netzwerke gäbe es bereits. Diaspora gehöre zu ihnen.
Es genügt also nicht - so Wagner weiter-nur von den USA mehr Datenschutz zu verlangen. Wer dies glaubwürdig tun möchte, der muss auch in Europa, in Deutschland und in Rheinland-Pfalz notwendige Datenschutzmaßnahmen auf den Weg bringen.