| Informationsfreiheit

Rückschlag für die Informationsfreiheit vor rheinland-pfälzischem Gericht VG Neustadt lehnt einen Antrag auf Zugang zu den Telefondurchwahlnummern von Mitarbeitern eines Jobcenters ab

- Pressemitteilung vom 20. Novebmer 2014

Im kürzlich bekannt geworden Urteil vom 4. September 2014 entschied das Verwaltungsgerichtes Neustadt an der Weinstraße, dass kein Anspruch auf Zugang zu einer Liste mit Tele-fondurchwahlnummern von Mitarbeitern eines Jobcenters in Kaiserslautern nach dem Bun-desinformationsfreiheitsgesetz (BIFG) bestehe.

Diese Entscheidung überrascht sehr:Nachdem im vergangen Jahr das VG Leipzig in einem vergleichbaren Fall, den Zugang zu einer Liste mit Telefondurchwahlnummern von Mitarbeitern eines Jobcenters bejahte und wenige Monate später das VG Aachen einem Antragssteller Recht gab, der den Zugang zu den Telefondurchwahlnummern von Richtern eines Gerichtes beantragt hatte, lehnt das VG Neustadt im vorliegenden Fall einen solchen Anspruch ab.

Vielleicht hängt dies aber auch mit der Besonderheit des vorliegenden Falles zusammen: Im jetzt entschieden Fall hatte ein Bürger aus Braunschweig einen Anspruch auf Zugang zur Diensttelefonliste aller Mitarbeiter des Jobcenters Kaiserslautern nach dem BIFG geltend gemacht und zu zahlreichen weiteren Jobcentern in Rheinland-Pfalz, ohne dass ein sachlicher Bezug zu diesen Jobcentern erkennbar war.

Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei den verlangten Telefondurchwahlnummern der Mitarbeiter um personenbezogene Daten Dritter handele. Die somit vorzunehmende Abwägung des Informationsinteresses des Klägers gegen das Interesse der Bediensteten am Ausschluss des Informationszugangs gehe zu Lasten des Klägers aus. Nach Ansicht der Kammer verfolge der Kläger kein besonderes öffentliches Interesse am Zugang zu den in Rede stehenden Informationen. Insbesondere gehe es ihm nicht um eine Kontrolle staatlichen Handelns, sondern um die Befriedigung eines privaten und allgemeinen Informationsinteresses. Diesem sei nur ein sehr geringes Gewicht beizumessen, zumal der in Braunschweig wohnhafte Kläger keinerlei Leistungen vom Beklagten beziehe und auch ansonsten keinen Bezug zum Jobcenter in Kaiserslautern habe.

Demgegenüber habe das Interesse der Bediensteten, dass deren Durchwahlnummern nicht losgelöst von einem Vorgang an einen unbeteiligten Dritten herausgegeben würden, ein größeres Gewicht. Zwar komme den personenbezogenen Daten der Mitarbeiter des Beklagten wegen des dienstlichen Bezuges kein hoher Schutz zu. Jedoch fehle es dem voraussetzungslosen Informationszugangsanspruch des Klägers von vornherein an der spezifischen Nähe zu den begehrten Informationen.

Anders als die Regelung des LIFG Rheinland-Pfalz spricht das BIFG des Bundes davon, dass der Informationszugang bei Namen und der Bürotelekommunikationsnummer von Bearbeitern nicht ausgeschlossen sei. Daraus schließt das VG Neustadt, dass ein Informationszugang nur bestehe, wenn der Zugang zu den Daten eines Bearbeiters eines speziellen Falles begehrt werde. Diese Lesart der Norm überrascht. Nur in den seltensten Fällen wird ein Bürger den Namen und die Bürotelekommunikationsnummer eines Bearbeiters nicht kennen.

Ebenfalls überraschend ist die Abwägung des Gerichtes zwischen dem Informationsinteresse des Antragsstellers und dem Recht der Mitarbeiter auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten. In der Rechtsprechung wurde bereits früh entschieden, dass Mitarbeiter einer Behörde bei ihrem Namen und Informationen im Zusammenhang mit ihrer dienstlichen Tätigkeit, wie ihrer Bürotelefonnummer, nur einen sehr geringen Schutz genießen. Genau aus diesem Grunde trifft auch § 12 Satz 3 LIFG RLP die Entscheidung, dass der Schutz personenbezogener Daten von beschäftigten Amtsträgern einem Antrag nach dem LIFG nicht entgegengehalten werden kann. Auf diese sogenannten Amtsträgertheorie geht das Gericht in seiner Entscheidung nicht ein, sondern gewichtet das Interesse des Antragsstellers auf Informationszugang allein deshalb als geringer, weil er keinen Bezug zu der Behörde habe und der Schutz personenbezogener Daten grundgesetzlich geschützt sei. Ob das Gericht damit sagen möchte, dass das Recht auf Informationszugang nach dem BIFG keinen grundrechtlichen Schutz genieße, bleibt im Urteil offen.

Dass es für einen Antrag nach dem BIFG - anders als bei einem Aktenzugang nach dem Verwaltungsverfahrensrecht - jedoch gerade nicht darauf ankommt, ob zwischen dem Antragssteller und der Behörde eine Beziehung besteht, übergeht das Gericht vollständig. Ein Gesetz, das zunächst jedermann unabhängig von jeder Antragsberechtigung Zugangsrechte gewährt (§ 1 Abs. 1 BIFG, § 4 Abs. 1 LIFG RLP), dann aber nur (frühere) Verfahrensbeteiligte in den Genuss der amtlichen Information kommen lässt, wäre geradezu widersinnig.

Eine nur schwer mit dem Gesetzeswortlaut vereinbare Ansicht vertritt das Gericht am Ende der Entscheidung, wenn es schreibt, dass es keines Drittbeteiligungsverfahrens bzgl. der Mitarbeiter bedurft habe. Entgegen der Regelung des § 8 Abs. 1 BIFG hat die Behörde nämlich betroffenen Dritten - hier den in ihrem informationellen Selbstbestimmungsrecht berührten Beschäftigten - Gelegenheit zu geben, selbst zu entscheiden, ob sie in die Bekanntgabe ihrer Daten einwilligen oder nicht. Diese Drittbeteiligung hatte das Jobcenter schlicht unterlassen. Kein Problem, meint das VG Neustadt, da es

im organisatorischen Ermessen des Hoheitsträgers liegt, ob er z.B. Diensttelefonlisten seiner Mitarbeiter öffentlich bekannt gibt, der Beklagte sich hier aber ausdrücklich dagegen entschieden hat, bedarf es nicht mehr der Anhörung der zahlreichen Mitarbeiter, ob sie mit einer Veröffentlichung ihrer personenbezogenen Daten einverstanden sind. Insofern wird die Bestimmung des § 8 Abs. 1 BIFG vom Organisationsermessen des Dienstherrn überlagert. (S. 22)

Ein Ausschlussgrund Organisationsermessen des Dienstherrn, den das Gesetz nicht kennt, ist bis jetzt weder in anderen Urteilen noch in der gängigen Kommentarliteratur als Grund für einen Ausschluss des Informationszugangs bei personenbezogenen Daten behördlicher Mitarbeiter angeführt worden. Außerdem erscheint es widersprüchlich, den Bearbeitern einerseits ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung einzuräumen (und auf dieser Basis den BIFG-Antrag abzulehnen), andererseits jedoch dem Dienstherrn einen Eingriff in eben dieses Recht ohne jede gesetzliche Grundlage und nur auf Basis einer organisatorischen Ermessensentscheidung zu gestatten.

Auch der Antrag auf Zugang zum Telefonverzeichnis ohne Namensnennung wurde mit der gleichen Begründung abgelehnt. Das Gericht nimmt sich nicht die Zeit, darüber nachzudenken, ob mit Blick auf § 11 BIFG, der eine Veröffentlichung von Organisationsplänen ohne personenbezogene Daten verlangt, der Zugang zu einem Telefonverzeichnis nur mit Telefonnummern wirklich genauso wie ein Zugang zu einem Telefonverzeichnis mit Namensnennung zu behandeln ist. Die Auffassung, eine um die Namensangaben der Bearbeiter geschwärzte Liste sei nach wie vor personenbezogen, erscheint jedenfalls gewagt.

Bedauerlich ist schließlich auch, dass das Gericht bei der Streitwertbemessung so hoch greift und den Regelstreitwert von 5.000 EUR ansetzt. Hatte es im Rahmen der Abwägungsentscheidung nach § 5 BIFG noch ausgeführt, dass der Kläger ein lediglich privates Interesse von sehr geringem Gewicht verfolge, scheint dies auf die Bestimmung des Streitwerts keinen Einfluss gehabt zu haben.

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